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Gläserner Patient Spitäler wollen unsere Gesundheitsdaten

  • Viele Spitäler fragen ihre Patienten beim Eintritt, ob sie die Resultate der Untersuchungen für die Forschung zur Verfügung stellen.
  • Eine grosse Mehrheit sagt Ja. Aber viele realisieren kaum, dass die Daten auch ins Ausland oder an kommerzielle Anbieter wie die Pharmaindustrie gehen können.
  • Kritiker warnen zudem: Nicht bei allen Spitälern sei die Sicherheit dieser Daten genügend gewährleistet.

Welche Risikofaktoren begünstigen bestimmte Krankheiten? Bei wem funktioniert welches Medikament? Die Antwort auf solche Fragen können für uns alle entscheidend sein. Sie können der Medizin den Weg zu besseren Therapien ebnen.

Aus diesem Grund sammeln die Spitäler und vor allem die Unispitäler unsere Gesundheitsdaten, mit dem sogenannten «Generalkonsent». Vor oder bei Spitaleintritt erhalten Patienten ein Einwilligungsformular, auf dem sie ankreuzen müssen, ob sie ihre Daten anonym für die Wissenschaft zur Verfügung stellen. Und zwar alle Daten, die schon gesammelt wurden, aber auch alle zukünftigen. Schätzungsweise 80 bis 85 Prozent der Betroffenen sagen dazu Ja.

So kann ein Einwilligungsformular im Spital aussehen

Einwilligung in einer emotional schwierigen Situation

Die Entscheidung kurz vor einer medizinischen Abklärung dürfte für viele aber schwierig sein. «Ich war komplett überrumpelt und mit dem Kopf völlig woanders. Ich hatte keine Möglichkeit abzuklären, ob ich das wirklich will und was mit den Daten passiert, wenn ich Ja ankreuze», sagt ein Patient aus Bern im SRF-Konsumentenmagazin «Espresso». Aber er habe auch befürchtet, ein Nein könnte sich negativ auf die Behandlung auswirken. «Ich hatte den Eindruck, hier wird die emotionale Situation der Patienten ausgenutzt, und das finde ich nicht richtig», so der Patient.

Kritik kommt auch von Franziska Sprecher, Direktorin am Zentrum für Gesundheitsrecht an der Uni Bern und im Stiftungsrat der Stiftung für Patientenschutz. Dass Gesundheitsdaten dazu genutzt werden, Krankheiten besser zu heilen, findet sie absolut richtig. Was die Spitäler von den Patienten verlangen, sei aber quasi ein «Blankocheck». Sie hätten nach der Einwilligung keine Möglichkeit zu wissen, wer diese Daten verwende und wofür. Auch wüssten wohl wenige, dass diese Daten auch ins Ausland oder an die Pharmaindustrie gehen können.

«Man wiegt die Leute in falscher Sicherheit»

Und auch die Anonymität sei in der heutigen Zeit eine Illusion, so Franziska Sprecher: «Es ist mit den heutigen Technologien ein Leichtes, Rückschlüsse auf die Person zu ziehen.» Und was, wenn Resultate von Bluttests oder genetischen Untersuchungen in falsche Hände geraten? Beispielsweise zu einer Versicherung oder einem künftigen Arbeitgeber? Da wiege man die Leute in falscher Sicherheit.

Es gibt laut Franziska Sprecher von der Uni Bern viele Spitäler in der Schweiz, die sich sehr um die Datensicherheit bemühen. Doch eben nicht alle: «Je nach Institution wird sehr verantwortungsvoll mit diesen Daten umgegangen. Doch das ist nicht überall der Fall». Und als Patient habe man keine Chance zu wissen, wo die Daten sicher seien, und wo eher nicht.

Spitalverband: «100-prozentige Sicherheit gibt es nie»

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Beim Verband der Schweizer Universitätsspitäler, der sich sehr für den Generalkonsent einsetzt, heisst es, diese Daten seien für die Forschung und damit für uns alle enorm wichtig. Kritik könne man teilweise durchaus nachvollziehen und man sei derzeit daran, das Ganze weiter zu verbessern.

Zum konkreten Vorwurf, man vermittle eine «Scheinsicherheit», heisst es: Es werde das Möglichste getan, die Daten zu schützen und anonym zu halten. Eine 100-prozentige Sicherheit gebe es aber nie. Zur Kritik, die Daten seien nicht in allen Spitälern gleich gut geschützt, sagt Agnes Nienhaus, Geschäftsführerin des Verbands der Schweizer Hochschulmedizin, das sei richtig. Das liege daran, dass jedes Spital sein eigenes Projekt habe, und da gäbe es unterschiedliche Standards.

Die Angst von Patientinnen und Patienten, bei einem Nein zur Einwilligung eine schlechtere Behandlung zu riskieren, sei komplett unbegründet, so Agnes Nienhaus: «Es ist ganz klar: Die Behandlung wird durch diesen Entscheid nicht beeinflusst.»

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