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Glaube in Zeiten der Pandemie Corona macht Allerheiligen zum Feiertag ohne Feiern

In den katholischen Landesgegenden ist der 1. November ein hoher Feiertag. Dieses Jahr bleiben die Kirchen jedoch leer.

Glis im Kanton Wallis. Der Friedhof ist gross, die Kirche ebenso, und normalerweise ist hier jeder Platz besetzt am 1. November – dem Tag, an dem die Katholikinnen und Katholiken Allerheiligen begehen und ihren Verstorbenen gedenken. «An der Andachtsfeier am Nachmittag nehmen jeweils bis zu 1000 Gläubige teil», sagt Pfarrer Daniel Rotzer. «Es werden Kerzen für die Verstorbenen angezündet, dann gehen alle rüber zum Friedhof, die Leute besuchen die Gräber ihrer Angehörigen.»

«Keine Gemeinschaft, keine Feier – das ist hart»

Ganz anders dieses Jahr. Das Wallis hat sich in den vergangenen Wochen zum Corona-Hotspot entwickelt, die Kantonsregierung hat zahlreiche Einschränkungen beschlossen, die strenger sind als jene des Bundes. Gottesdienste mit mehr als zehn Personen sind verboten, Versammlungen ebenfalls. Auch auf Friedhöfen.

Das wirkt sich auf Allerheiligen aus. «Auf den Friedhöfen werden viele Einzelgänger ein Grab besuchen», sagt ein älterer Mann vor der Kirche in Glis. Und fügt an: «Keine Feier, keine Gemeinschaft – ich verstehe, dass das im Moment nicht möglich ist, aber es ist hart.»

Auch bei einem anderen Mann ist das Bedauern gross. Er wohnt im Toggenburg, besucht Glis aber jedes Jahr zu Allerheiligen. Ein Familienfest. «Wir treffen uns alle und gehen gemeinsam auf die Gräber unserer Verstorbenen», sagt er. «Das ist mir wichtig.»

Urner Pfarrer spürt Ratlosigkeit bei Gläubigen

So wichtig der Feiertag für viele Gläubige auch ist: Dieses Jahr müssen sie ihn anders begehen als sonst. Viele tun sich schwer damit – nicht nur im Wallis, sondern auch in der Zentralschweiz, die traditionell ebenfalls stark katholisch geprägt ist.

Das bemerkt auch Daniel Krieg, Pfarrer im Urner Hauptort Altdorf. «Die Menschen sind es sich gewohnt, gemeinsam auf den Friedhof zu gehen», sagt er. «Man umarmt sich, es entsteht Nähe und ein Gemeinschaftsgefühl, das vielen Menschen Kraft gibt. Dass dies nun nur noch im ganz engen Kreis möglich ist, verunsichert viele.»

Viele fragten sich auch, wie sie Menschen ihr Mitgefühl ausdrücken und Trost spenden könnten, ganz ohne Händedruck oder Umarmung. «Ich spüre eine grosse Ratlosigkeit», sagt Krieg.

Neuer Umgang mit Trauer ist gefragt

Der Umgang mit Trauer sei eines der vielen Dinge, die die Gesellschaft während der momentanen Covid-Pandemie neu lernen müsse, glaubt der Pfarrer aus Altdorf. «Wir haben das alle in dieser Form ja noch nie erlebt. Wenn Trauer ins Spiel kommt, werden wir alle emotional und suchen Nähe – also genau das, was wir jetzt vermeiden sollten.»

Daniel Krieg hält es für wichtig, dass Menschen, die einen Angehörigen verloren haben, sich auch in Corona-Zeiten eine Bezugsperson suchen, mit der sie ihren Verlust verarbeiten können – und dass sie über diesen Verlust reden. «Reden ist nicht immer einfach, aber zumindest am Anfang ist es der einzige Weg», sagt er. «Man findet dann gemeinsam vielleicht einen anderen Weg, um die Gefühle auszudrücken.»

Grosse Menschenansammlungen sind verboten wegen der Corona-Pandemie – Trauern ist es nicht. Das findet auch eine Frau in Glis. Werde sie dieses Jahr eben nicht am 1. November auf das Grab ihres Sohnes gehen, sagt sie. «Dann gehe ich mit der Tochter am 2. November zu ihm und zünde eine Kerze an. Er hat ja auch dann Geburtstag.»

Regionaljournal Zentralschweiz, 31.10.2020, 17:30 Uhr ; 

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