Lukas Glauser, Vollbart, rote Wangen, schüttet Körner auf die Wiese, seine Hühner folgen ihm. Glauser nimmt ein Huhn auf den Arm. «Das ist Jacqueline – eins der wenigen Hühner, das einen Namen hat», sagt er lachend.
Glauser hat den Hof in Wichtrach bei Bern seit 2021 gepachtet. Er hält hier Mutterkühe und rund 140 Hühner. Sie haben einen Stall im Grünen – und zwei Mitbewohner namens Angelo und Theo: «Unsere Alpakas sind zuständig für den Herdenschutz, sie vertreiben die Füchse», erklärt Glauser.
Eier und Fleisch im Abo
Der 29-jährige Bauer versucht hier etwas Ungewöhnliches: «Ich habe mich für eine Zweinutzungsrasse entschieden», sagt Glauser. Seine Hühner legen nicht nur Eier, sondern setzen auch Fleisch an. Entsprechend haben in Glausers Herde nicht nur die Hennen, sondern auch ihre Brüder Platz.
Die Eier und das Fleisch verkauft Glauser im Abo: Zuerst erhalten Abonnenten einen sogenannten Bruderhahn als Poulet. Dann gibt es eineinhalb Jahre lang jede Woche fünf Eier – und zum Schluss noch das Legehuhn als Suppenhuhn. Glausers Produkte sind Bio-Suisse-zertifiziert; 530 Franken kostet ein Abo für anderthalb Jahre. Es ist ein stolzer Preis, aber eben auch eine besonders nachhaltige Haltung. Sie kommt schon ohne das Kükentöten aus.
Die Hühnerzucht funktioniert zudem in einem interessanten Zusammenspiel: Die Hühner leben in der Baumschule, die die Glausers auch noch betreiben. Sie halten die Baumreihen frei von Unkraut und finden hier Würmer und Käfer, sodass Glauser weniger zufüttern muss.
Leuchtturm für die Zukunft
Die Schweizer Stiftung Biovision, die sich für nachhaltige Landwirtschaft einsetzt, betrachtet Glausers Hühnerzucht deshalb als eine Art Leuchtturm. Solche Modelle seien künftig gefragt, sagt Daniel Seifert von Biovision: «Das Ernährungssystem spielt eine wichtige Rolle beim Erreichen der Pariser Klimaziele und der UNO-Nachhaltigkeitsziele.»
Als Modell für die Zukunft taugt Glausers Zucht aber nur bedingt. Er räumt ein, dass sie rund ein Viertel weniger Eier legen als auf Leistung gezüchtete Legehennen. Auch die Fleischmenge der Hähne kommt nicht an Masthühner heran. Damit Glausers Modell auf breiter Basis funktionieren würde, bräuchte es mehr Bereitschaft zum Verzicht. Dafür spricht im Moment wenig: Der Eier- und Poulet-Konsum in der Schweiz hat über die letzten zehn Jahre um mehr als 30 Prozent zugenommen.
Zu viel Futter für zu wenig Eier und Fleisch
Entsprechend skeptisch ist etwa das Bundesamt für Landwirtschaft. «Der grösste Nachteil dieser Zweinutzungsrassen ist die tiefe Futtereffizienz», sagt Christian Stricker, Leiter Fachbereich Tierische Produkte und Tierzucht. Auch wenn Zweinutzungsrassen robuster seien, so Stricker, verbrauchten sie unterm Strich zu viel Futter für zu wenig Eier und zu wenig Fleisch. Ihr ökologischer Fussabdruck sei grösser als der von Legehennen.
Auch der Verband Biosuisse sieht Nachteile. Gemäss Adrian Schlageter, Projektleiter Tierwohl, würde die Biobranche eher auf die Bruderhahn-Aufzucht von Legehennen setzen. «Sie hat gegenüber dem Zweinutzungshuhn Effizienzvorteile und verursacht weniger zusätzliche Kosten.» Und die Kostenfrage ist entscheidend – gerade jetzt, wo Bioeier mit dem Ausstieg aus dem Kükentöten etwas teurer werden.
Es ist also möglich, dass Lukas Glausers Hühnerzucht auch künftig das bleibt, was sie heute ist: eine Nische.