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Schweiz Internet-Kriminalität: Schweiz wird derzeit zum Wilden Westen

Erpresser-Banden überziehen Firmen in der Schweiz mit Überlastungsangriffen, Kleinkriminelle kapern Computer von Privatpersonen und fordern Lösegeld. Die Schweiz erlebt eine Welle digitaler Kriminalität. Was bedeutet dieses Vorgehen für die Opfer - und was unternehmen die Behörden?

Internetkriminalität ist ein globales Milliardengeschäft. Mit Opfern in der Schweiz. Im November legte ein Überlastungsangriff den Genfer E-Mail-Anbieter Protonmail während Tagen lahm. Informatik-Chef Jan Veverka erinnert sich: «Ich habe rasch gemerkt: Das könnte unsere Firma zerstören. Es wurde zu einem Kampf ums Überleben.»

Tausende Kunden waren während Tagen ohne Mails. Ein Frontalangriff auf das Geschäftsmodell der jungen Schweizer Firma – sichere E-Mails für jeden. Der 39-Jährige spricht über den Angriff und gibt damit einer schweigenden Masse von Unternehmen eine Stimme, die sich bisher nicht getraut hat, über das Phänomen zu sprechen. Zu gross war die Angst vor einem Imageverlust. «Irgendwann trifft es wahrscheinlich jeden», sagt Veverka. Und weiter: «Ein grosser Teil der Firmen hat schon solche Angriffe erlebt.»

Auf Attacke folgte die Erpressung

Die Angreifer wollten umgerechnet 6000 Franken von Protonmail, damit der Angriff aufhört. Zahlbar in der Internetwährung Bitcoin.

Internet-Erpressung. Die moderne Weglagerei: der neue Dauerbrenner der digitalen Verbrecherwelt? Ein Besuch im ersten Kompetenzzentrum Cybercrime in Zürich bestätigt diesen Verdacht. Der staatsanwaltschaftliche Leiter des Zentrums, Stephan Walder, sagt gegenüber der Rundschau: «Das Phänomen grassiert. Wir haben relativ viele solche Fälle.» Die Täter gehen höchstprofessionell vor, so der Staatsanwalt.

Bank bezahlte «Lösegeld»

Auch die Verantwortlichen beim Bund schlagen Alarm. Im internen Lage-Radar, der zurzeit bei der Melde- und Analysestelle Melani entwickelt wird, stehen Überlastungsangriffe auf der zweithöchsten Stufe. Alle Branchen sind betroffen, warnt Melani. Sogar Banken. Mindestens eine Bank soll auch Erpressergeld bezahlt haben. Entgegen der Empfehlung des Bundes.

Auch Protonmail beschloss zu zahlen. Doch der Angriff wurde noch stärker. Während Tagen sah es so aus, als ob die anonymen Kriminellen das Schweizer Unternehmen in die Knie zwingen würden. Dutzende weitere Firmen gerieten ins Kreuzfeuer. Informatik-Chef Jan Veverka: «Leute bis hin nach Moskau konnten nicht mehr ins Internet!»

Wir raten anderen Firmen: Bezahlt niemals Erpressergeld. Und sobald ihr es euch leisten könnt: Kauft euch Abwehr-Infrastruktur.
Autor: Jan Veverka Informatik-Chef Protonmail

Veverka und sein Team mussten schliesslich den Stecker ziehen und einen geheimen, neuen Zugang zum Internet legen – geschützt mit einer 100‘000-Franken-Abwehr. «Wir raten anderen Firmen: Bezahlt niemals Erpressergeld. Und sobald ihr es euch leisten könnt: Kauft euch Abwehr-Infrastruktur», sagt Veverka. Die Firma hat den Angriff überlebt – auch dank grosszügiger Unterstützung aus der Community.

Spur führt nach Bosnien

Guido Rudolphi jagt derweil Cyber-Kriminelle im Auftrag von Strafverfolgern, Privaten und Unternehmen. Für ihn ist klar: Das organisierte Verbrechen ist voll auf Cybercrime eingestiegen: «Am Anfang sind es ein paar Geeks, aber irgendwann merken auch Leute aus dem organisierten Verbrechen, dass man da doch sehr viel Geld verdienen kann. Die heuern Programmierer wie Fusssoldaten an.»

Die Spur einer der notorischsten Cybercrime-Gruppen Europas führt nach Banja Luka in Bosnien. Von hier aus erpresste «DD4BC» Banken und Versicherungen auch in der Schweiz. Für ihr Geschäft mieteten sie eigens eine Wohnung. Bis die Polizei zuschlug und zwei Personen verhaftete – darunter ein vermuteter Kopf der Bande, 32 Jahre alt.

Anklage in Vorbereitung

Staatsanwalt Aleksandar Simonović gelang der grosse Fang. Der Rundschau bestätigt er, dass seine Behörde Anklage erheben wird: «Ich kann bestätigen, dass die entsprechenden Personen im September oder spätestens im Oktober angeklagt werden. Die Tatbestände gemäss Strafgesetzbuch umfassen Erpressung und Störung und Einschränkung von Informations-Netzwerken.»

Der Arm der Justiz muss lang sein, um Cyber-Täter zu schnappen. Wichtige Hinweise kamen in diesem Fall aus Zürich. Der Anwalt des mutmasslichen Kopfs der Bande sagt, die Beweise reichten nicht für eine Verurteilung. Der Staatsanwalt aber rechnet mit mindestens fünf Jahren Gefängnis.

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