SRF News: Ist die Zusammenarbeit mit den afrikanischen Staaten der richtige Ansatz, um die Flüchtlingskrise zu lösen?
Simonetta Sommaruga: Ich glaube, es ist der einzige Ansatz, den wir wählen können. Wir haben eine so komplexe Situation auf dieser Mittelmeerroute, dass nur in Zusammenarbeit zwischen den afrikanischen und den europäischen Staaten überhaupt irgendwelche Lösungen zustande kommen können.
Es geht darum, überhaupt mit jemandem in Libyen sprechen zu können.
Es gibt aber auch Bedenken – insbesondere im Bezug auf Libyen.
Die Situation in Libyen ist natürlich äusserst schwierig. Es geht deshalb auch darum, überhaupt mit jemandem in Libyen sprechen zu können, was auch schon sehr komplex ist. Ich denke ohne politische Lösungen in Libyen wird man überhaupt keine nachhaltige Antworten auf die Migrationskrise finden. Trotzdem dürfen wir jetzt nicht aufhören, für die Menschen, die in Libyen zum Teil in unglaublichen Situationen sind, einen besseren Schutz zu suchen. Deshalb muss Libyen an diesem Tisch auch mit dabei sein. Aber eben nicht nur Libyen, sondern auch andere afrikanische Staaten.
Die libysche Regierung soll mit Schlepperbanden zusammenarbeiten. Ist sie wirklich ein glaubwürdige Partner?
Es gibt in Libyen nicht die eine, sondern verschiedene Regierungen. Mehrere Gruppierungen bekämpfen sich gegenseitig. Deshalb ist es auch so schwierig, überhaupt mit Libyen zusammenarbeiten zu können. Wir haben jetzt mal begonnen, mit einem Teil einer libyschen Regierung den Kontakt zu pflegen. Das geschieht im Rahmen einer Kontaktgruppe, die auch von der internationalen Gemeinschaft anerkannt wird. Hierbei muss man sich aber sehr bewusst sein, dass die Situation in Libyen dermassen komplex ist, dass es hier keine einfachen und schnellen Antworten gibt.
Auch verschiedene afrikanische Staaten haben grosse Migrationsprobleme. Auch sie sind Zielland von tausenden von Migranten.
Mit welchen Massnahmen kann man die Situation verbessern?
Es geht darum, dort Perspektiven zu schaffen, wo die Menschen ihr Land verlassen – also etwa wirtschaftliche Entwicklung oder Ausbildungsmöglichkeiten. Zudem möchten afrikanische Staaten auch eine legale Migrationsmöglichkeit nach Europa. Möglichkeiten für Studierende, Ausbildungen zu machen, zum Beispiel. Darüber muss man sprechen. Gleichzeitig haben aber auch verschiedene afrikanische Staaten grosse Migrationsprobleme. Auch sie sind Zielland von tausenden von Migranten und haben Konflikte im eigenen Land. Wir haben teilweise Interessen, die durchaus vergleichbar sind. Deshalb ist diese Kontaktgruppe ein gutes Gremium, um genau diesen Austausch und dieses Vertrauen aufzubauen und zu pflegen.
Das sind alles Projekt, die nur sehr langfristig realisiert werden können. Bedeutet das auch, dass wir in den nächsten Monaten und Jahren noch permanent mit diesem Thema konfrontiert sein werden?
So lange in Libyen keine politische Lösung möglich ist, wird es auch nicht möglich sein, nachhaltige Antworten auf die Migrationssituation zu geben. Wir müssen uns darauf einstellen, dass es langfristige Fragen sind. Gerade die Situation in Libyen ist dermassen komplex, dass es keine schnellen Lösungen oder einfachen Antworten gibt. Das ist die Realität. Das Beste, das wir machen können, ist, dass man sich zusammensetzt und dort, wo es möglich ist, Projekte entwirft. Es geschieht bereits einiges: Die Europäische Union hat einen Aktionsplan verabschiedet. Die Schweiz ist dabei, weil sie solidarisch sein will und von Migrationsfragen ebenfalls betroffen ist.
Das Gespräch führte Olivier Washington.