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Kleine KMU werden aus Krankentaggeld-Versicherung geworfen
Aus Espresso vom 12.02.2018.
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Schweiz Kleine KMU werden aus Krankentaggeld-Versicherung geworfen

Das Wichtigste in Kürze

  • Immer wieder wird kleinen Firmen mit teuren Krankheitsfällen die Krankentaggeldversicherung gekündigt. Begründung: Prämien und Leistungen stünden in einem extremen Missverhältnis.
  • Allein die CSS löste deshalb 2017 gut 20 Verträge auf. Sie steht damit nicht alleine da: Auf dem Tisch von Versicherungsombudsmann Martin Lorenzon landen im Durchschnitt zwei solche Fälle pro Monat von diversen Versicherungen.
  • Die Kündigung stellt die Betroffenen vor grosse Probleme. Als «schlechtes Risiko» finden sie nur sehr schwer eine neue Krankentaggeldversicherung. Häufig auch nur noch zu horrenden Prämien.
  • Der Hintergrund: Mehrere Versicherungsexperten sagen, dass Krankentaggeldversicherungen kein gutes Geschäft mehr seien. Es gebe immer mehr teure Fälle (Burnout usw.). Deshalb würden die Versicherer ihr Portfolio bereinigen und schlechte Risiken abstossen.

Die kleine Ostschweizer Firma «Beautymarket» hatte von 2014 bis 2017 zwei längere und drei kürzere Krankheitsfälle. Die Krankentaggeldversicherung der CSS kostete dies 170'000 Franken Lohnfortzahlung. Das war ihr zu teuer: Im letzten Herbst kündigte die CSS dem KMU, welches eine Handvoll Angestellte beschäftigt, den Versicherungsvertrag. «Prämien und Leistungen stehen in einem so ungünstigen Verhältnis», dass man sich zu diesem Schritt entschlossen habe, heisst es im Kündigungsschreiben.

Dabei war die Jahresprämie von «Beautymarket» wegen dieser Krankheitsfälle bereits von 2300 auf 6500 Franken gestiegen. Die Kündigung stellt das KMU vor grosse Probleme: Als «schlechtes Risiko» wurde sie bereits von mehreren Krankentaggeldversicherungen abgelehnt. Firmenchefin Jasmin Chiavelli ist verzweifelt: «Entweder werden wir gar nicht mehr aufgenommen oder nur zu horrenden Prämien im fünfstelligen Bereich.»

Das könne ein kleines KMU fast nicht tragen. Aber ohne Taggeldversicherung riskiert ein Unternehmen, gute Mitarbeitende zu verlieren. Denn diese sind so im Krankheitsfall schlechter abgesichert. Zudem ist in einigen Branchen eine solche Versicherung im Gesamtarbeitsvertrag vorgeschrieben.

CSS: «Können uns nicht von Emotionen leiten lassen.»

Ist sich die CSS bewusst, vor welche Probleme sie eine kleine Firma mit einer Kündigung stellt? Man könne nachvollziehen, dass der Entscheid keine Freude auslöse, sagt CSS-Sprecherin Christina Wettstein: «Aber wir können uns in diesem Fall nicht von Emotionen leiten lassen, sondern müssen wirklich die Fakten anschauen.» Und hier stünden Prämien und Schadenfälle wirklich in einem krassen Missverhältnis.

Einem kleinen KMU würde aber nicht einfach wegen ein, zwei Krankheitsfällen gekündigt, verteidigt sich die CSS. Bei der Beurteilung komme es auch darauf an, in welcher Zeitspanne diese Krankheitsfälle aufgetreten seien. Aber letztlich sei es ein «Business-Entscheid».

Andere Versicherer handeln genau gleich

«Beautymarket» ist kein Einzelfall. Die CSS hat im Jahr 2017 gut 20 kleinen KMU aus denselben Gründen die Krankentaggeldversicherung gekündigt. Versicherungsombudsmann Martin Lorenzon sagt auf Anfrage des Konsumentenmagazins «Espresso» von Radio SRF 1, dass bei ihm durchschnittlich zwei solche Fälle pro Monat landen.

Diese würden verschiedene Versicherer betreffen. Hintergrund dieser Kündigungen ist, dass das Geschäft mit den Krankentaggeldversicherungen nicht mehr rentiert. Das sagen mehrere Versicherungsexperten gegenüber «Espresso». Die Versicherer würden daher ihr Portfolio bereinigen und sich von «schlechten Risiken» trennen.

Machen kann der Ombudsmann aber nicht viel. Da Krankentaggeldversicherungen dem Versicherungsvertragsgesetz unterliegen, ist dieses Vorgehen legal. Um wieder eine Krankentaggeldversicherung zu erhalten, könnten kleine KMU den Versicherern längere Wartezeiten anbieten, bis diese Taggelder bezahlen müsse, rät der Ombudsmann. Oder sie könnten bei derselben Gesellschaft auch andere Versicherungen abschliessen, um als bessere Kunden zu gelten.

Im Extremfall bleibe betroffenen Kleinfirmen aber nur eine Lösung, sagt Martin Lorenzon: «Der Inhaber einer Kleinfirma kann faktisch gezwungen sein, Mitarbeiter, die ein grösseres Risiko darstellen, zu entlassen.» Damit die Firma die Chance habe, überhaupt einer neuen Versicherung beitreten zu können.

Politik will nicht eingreifen

Etwas an der schlechten Ausgangslage von kleinen KMU ändern, könnte die Politik. Der Schweizerische Gewerbeverband, der sich als «Nummer 1 der Schweizer KMU-Wirtschaft» bezeichnet, winkt aber ab und schreibt «Espresso»: «In Einzelfällen mag dies für die betroffenen Betriebe schwierig sein. Trotzdem steht der SGV zum heutigen System und spricht sich gegen zusätzliche Regulierungen aus.»

Anders der Schweizerische Gewerkschaftsbund. Für ihn ist eine strengere Regulierung der Krankentaggeldversicherung notwendig. Er schreibt: «Denn obschon sie nicht obligatorisch ist, hat sie den Charakter einer Sozialversicherung. Daher müsste ein verbindlicher Standard gelten.» Bisher waren aber alle politischen Vorstösse in diese Richtung chancenlos.

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