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Kritik an Doppeladler-Gesten «Das darf man nicht durchgehen lassen»

Die Aktion war laut dem Sportexperten Marcel Reif ungehörig. Er glaubt, die Spieler werden für zwei Spiele gesperrt.

Nach den Doppeladler-Gesten der beiden kosovo-albanisch-stämmigen Fussballer Granit Xhaka und Sherdan Shaqiri sowie von Kapitän Stefan Lichtsteiner steht die Schweizer Nationalmannschaft nach dem Spiel gegen Serbien sportpolitisch auf dünnem Eis. Das von der Fifa eingeleitete Verfahren könnte zu einer Sperre für zwei Spiele führen.

Der Sportjournalist und Fussball-Kommentator Marcel Reif verurteilt das Verhalten der Spieler wie auch jenes des serbischen Trainers scharf.

Fussballexperte Marcel Reif.
Legende: Fussballexperte Marcel Reif. Keystone/Archiv

SRF News: Welchen Entscheid erwarten sie von der Fifa?

Marcel Reif: Nach meiner Kenntnis gibt es für solche Provokationen eine Sperre für zwei Spiele. Das würde bedeuten, dass die Schweizer, die auf einem wunderbaren Weg über die Gruppenphase hinaus sind, ohne die drei Spieler auskommen müssten. Selber schuld.

Sie halten also nichts von der Aktion von Xhaka und Shaqiri?

Es war eine Provokation, die auf dem Fussballplatz nichts verloren hat. Dazu ist eine Weltmeisterschaft nicht da. Die beiden Jungs wussten genau, was sie machen. Die Welt schaut zu. Das ist eine ungehörige Provokation.

War das also nicht spontan im Wirbel der Gefühle?

Nein. Wenn jemand in diesem Umfeld gegen diesen Gegner vor diesem Publikum das macht, weiss er genau, was er tut.

Wie heikel ist das angesichts der Schweiz mit einer multikulturellen Gesellschaft, wo ja auch serbisch-stämmige Menschen leben?

Wir Schweizer sind doch stolz auf diese Nationalmannschaft, wie multikulturell und wie integrativ sie ist. Mit solchen Aktionen wird dem Ganzen der Boden entzogen. Damit macht man vieles an Goodwill und Integration kaputt, was vorher aufgebaut worden ist. Das zeigt auch der Besuch der deutschen Spieler Özil und Gündogan mit dem türkischen Präsidenten Erdogan. Das kann man nicht einfach so durchgehen lassen.

Was ist von Kapitän Lichtsteiners Solidarisierung zu halten, der auch den Doppeladler zeigte?

Das braucht's dann gerade noch! Und dass mir dann Funktionäre noch erzählen, es sei prima gewesen – wo kommen wir denn da hin? Was hat Lichtsteiner mit dem Doppeladler zu tun? Das sind politische Aktionen. Dabei wird auch immer allen klar gemacht, dass Politik bei internationalen Spielen nichts verloren hat.

Das ist auch zum Schutz der Spieler, von denen man ja auch nicht verlangt, dass sie sich bei einer WM in Russland vor jedem Eckball zur Krim und zur Ostukraine äussern müssen. Sie sollen Fussball spielen. Die Spieler haben zudem auch eine Vorbildfunktion für junge Menschen. Die betroffenen Spieler haben also einen ganz grossen Fehler gemacht.

Serbiens Trainer hatte sich doch nach dem Spiel auch nicht im Griff?

Nicht im Griff? Das ist mir zu wenig, wenn ein erwachsener Mensch einen Schiedsrichter mit Kriegsverbrechern vergleicht. Über einen allfälligen Elfmeter kann man ja diskutieren. Auch dass der Trainer aufgebracht war, ist verständlich. Aber hier wurde jedes Mass verloren und der Fussball beschmutzt. Wenn der nicht auch bestraft wird, verstehe ich die Welt nicht mehr.

An der WM ist Patriotismus erlaubt: Staatschefs auf den Tribünen oder die Landesfahnen. Wo beginnt der Nationalismus?

Bei Patriotismus bin ich für mein Land, beim Nationalismus bin ich für mein Land und gegen andere. Wenn ich also andere provoziere, drohe und mich über andere erhebe, hat das mit echtem Patriotismus nichts zu tun. Gegen Hymnen und Fahnen ist nichts zu sagen. Wer aber nationalistische Tendenzen reinbringt wie eben mit diesen Doppeladler-Gesten, vergeht sich an wichtigen Werten.

Das Gespräch führte Ivana Pribakovic.

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