«Nichts! Nichts! Streiterei!», sagt eine Anwohnerin des Landsgemeindeplatzes in Appenzell auf die Frage, was sie davon hält. Es geht um ein Kunstwerk, das als bleibendes Andenken an die Künstlerin Sibylle Neff (1929-2010) im Dorf errichtet werden soll. Doch es ist, wie die Aussage der Frau zeigt, umstritten.
Sibylle Neff schuf Ölbilder und Bleistiftzeichnungen im Stil der naiven Malerei. Sie gilt als eine der bedeutendsten Künstlerinnen des Kantons. Neben ihres künstlerischen Schaffens polarisierte die Innerrhoderin aber auch mit ihrer radikalen Art im Kampf gegen Obrigkeiten. Sie sagte einst: «Ich stelle mich nicht als Blume vor, sondern als dicken Grashalm, der ums Überleben kämpfen muss.»
Um zu verhindern, dass eine Strasse direkt vor ihrem Haus durchführt, wehrte sie sich bis vor Bundesgericht. 1990 warf sie an strategisch bester Lage gut sicht- und hörbar Teller aus dem Fenster – notabene während des Eides des Landammanns an der Landsgemeinde. Oder: Sie fällte einst die Tanne eines Nachbarn mitten in der Nacht.
Neff blieb ihr Leben lang ledig, schlug sich alleine durch. Als Kunstschaffende und lautstarke Persönlichkeit eckte sie immer wieder an in einem Kanton, der bis 1990 kein Frauenstimmrecht kannte. An ihrem Haus hingen oft Plakate mit Parolen und Meinungen.
Es gab jedes Mal eine Stichelei.
Ihr Querulantentum und ihre Provokationen hallen bis heute nach. Auf dem Platz vor ihrem Haus steht bereits ein Bauvisier. Hier soll ein Kunstwerk entstehen: Eine viereinhalb Meter hohe Stange mit 12 weissen Tellern dran; erinnert an den zu grüssenden Hut des Landvogts Gessler aus Schillers Wilhelm Tell. Nur eben mit Geschirr.
Ausgedacht hat sich das Kunstwerk Roman Signer, ein bekannter Ostschweizer Aktionskünstler. Der 85-Jährige erachtet dies nicht als Provokation. «Ich bin mir da anderes gewohnt», sagt er und lächelt. Er kannte Sibylle Neff persönlich: «Es gab jedes Mal eine Stichelei in meine Richtung, wenn ich sie gesehen habe.»
Schon vor einem Jahr gab es ein Projekt
Initiiert wurde das Werk von Sepp Moser, Präsident der Sibylle-Neff-Stiftung und Appenzells Alt-Säckelmeister – in Innerrhoden noch heute offizielle Amtsbezeichnung jenes Regierungsmitglieds, das dem Finanzdepartement vorsteht. Moser zog bereits vor etwa einem Jahr ein erstes Projekt zurück, wegen Einsprachen und dem «Frieden zuliebe».
«Damals begründete der Kanton, man wolle das nicht. Es sei atypisch für den Landsgemeindeplatz», erzählt er. Geplant war eine höhere Stange mit einem Zylinderhut. «Ein Kunstwerk sollte aber meiner Meinung nicht typisch, sondern eben atypisch sein.» Jetzt soll es klappen, weil das neue Projekt weniger auffalle und es keine Gründe gebe, es abzulehnen.
À propos Ablehnung: zurück zur Anwohnerin des Landsgemeindeplatzes. Sie wohnt just in jenem Haus, in dem auch Sibylle Neff lebte und bald ein Kunstwerk zu deren Ehren vor der gelben Fassade stehen könnte. «Das ist ein Gugus», sagt sie.
Das Projekt liegt momentan öffentlich auf. Bisher gab es keine Einsprachen und es ist durchaus möglich, dass es dabei bleibt. In diesem Fall könnte die Stange mit den Tellern bis Ende Jahr auf dem Landsgemeindeplatz in Appenzell stehen.