Noch vor wenigen Wochen war Tauwetter angesagt zwischen der Schweiz und der EU – doch nun setzt die EU-Kommission die Schweiz unter Druck. Nur wenn es bei einem Rahmenabkommen substantielle Fortschritte gebe, bekommt die Schweizer Börse den unbefristeten Zugang zum Aktienhandel in der EU.
SRF-Bundeshausredaktor Philipp Burkhardt hat Reaktionen bei Parlamentariern von links bis rechts eingeholt – und schätzt die Lage ein.
SRF News: Wie fallen hier die ersten Reaktionen auf diese Enthüllung aus?
Philipp Burkhardt: Druckversuche kommen nie gut an. Vertreter der bürgerlichen Parteien in den aussenpolitischen Kommissionen reagieren denn auch sehr heftig auf diese neueste Kehrtwende aus Brüssel (siehe Bildergalerie unten). Erfreut über die Entwicklung ist einzig SP-Nationalrat Tim Guldimann. Immerhin wolle die EU die Schweizer Börsen jetzt anerkennen und der Schweiz gleichzeitig mehr Zeit zugestehen, um eine Lösung beim institutionellen Rahmenabkommen zu finden.
Mit seiner Ankündigung gegenüber EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker, die Weichen für die Kohäsionsmilliarde zu stellen, hat sich der Bundesrat ein ziemlich grosses Ei gelegt.
Die SVP-, FDP- und CVP-Vertreter sind aber ganz anderer Ansicht als SP-Vertreter Guldimann. Und die bürgerlichen Parteien haben in National- und Ständerat die Mehrheit. Auf sie ist der Bundesrat angewiesen, will er das Verhältnis mit Europa weiterentwickeln.
Wie realistisch ist es aus Schweizer Sicht, ein solches Rahmenabkommen bis Ende 2018 in trockenen Tüchern zu haben?
Zuerst einmal müsste man sich mit der EU finden. Dann müsste der Bundesrat eine konkrete Vorlage fürs Parlament ausarbeiten, die dann vom Parlament beraten werden muss. Das dürfte ein, zwei Jahre dauern. Und dann wird es mit Garantie auch noch eine Volksabstimmung brauchen. Vor 2020 wird man also kein Rahmenabkommen haben, wenn überhaupt. Da stellt sich natürlich die Frage, was die EU denn als genügende Fortschritte beim Rahmenabkommen anschauen würde, um die Blockade mit der Schweiz zu lösen.
Und was geschieht nun mit der Kohäsionsmilliarde, die die Schweiz ja eigentlich versprochen hat, wenn die EU nun Bedingungen aufstellt?
Mit seiner Ankündigung gegenüber EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker, die Weichen für die Kohäsionsmilliarde zu stellen, hat sich der Bundesrat ein ziemlich grosses Ei gelegt. Seit dem Treffen mit Bundespräsidentin Doris Leuthard spielt die EU-Kommission mit dem Bundesrat Katz und Maus, wir haben es am Freitag aufgezeigt. Die EU hat den Börsenentscheid immer weiter hinausgezögert. Der Bundesrat hat dann gesagt: Wenn die Börsenanerkennung nicht kommt, überlegen wir es uns noch einmal mit den 1,3 Milliarden Kohäsionsgeldern.
Jetzt soll die Anerkennung kommen, aber nur befristet, und verknüpft mit dem Rahmenabkommen. Zieht der Bundesrat die Kohäsionsmilliarde jetzt zurück, gefährdet er die Schweizer Börse. Zieht er sie nicht zurück, verliert er das Gesicht. Rückblickend muss man feststellen: Die Freigabe der 1,3 Milliarden, ohne Garantien für die Schweizer Börse in der Tasche zu haben, war ein taktischer Fehler des Bundesrates.
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Bild 1 von 4. Philipp Müller, Ständerat (FDP/AG) . «Aussenpolitik ist immer Interessenpolitik, und die EU macht knallharte Interessenpolitik. Wir sollten das eben auch tun.» . Bildquelle: Keystone.
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Bild 2 von 4. Kathy Riklin, Nationalrätin (CVP/ZH) . «Das riecht nach Erpressung. Die EU spielt auf extreme Art mit ihren Muskeln. Sie weiss genau, dass dieses Rahmenabkommen für die Schweiz sehr, sehr schwierig ist.» . Bildquelle: Keystone.
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Bild 3 von 4. Rino Büchel, Nationalrat (SVP/SG): . «Es ist geradezu unglaublich, dass die EU nach dem Wedeln mit der grauen Liste [der Steuersünder] jetzt auch noch diese Geschichte produziert. Man muss klar sagen: So geht es nicht.» . Bildquelle: Keystone.
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Bild 4 von 4. Tim Guldimann (SP/ZH). «In Brüssel erkennt man, dass wir noch nicht bereit sind, beim Rahmenabkommen sofort weiterzumachen. Bei unserem dringenden Problem [des Zugangs zum Aktienhandel der EU] sind sie bereit, das für ein weiteres Jahr zu lösen – verbunden mit der Erwartung, dass jetzt endlich etwas passiert.» . Bildquelle: Keystone.