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Nach Bundesgerichtsurteil Hausarrest für Erwin Sperisen

Der Ex-Polizeichef von Guatemala mit Schweizer Pass darf in Hausarrest. Sein Prozess wird im November neu aufgerollt.

Erwin Sperisen, der ehemalige Polizeichef von Guatemala mit Schweizer Pass, wird in Genf aus dem Gefängnis entlassen und unter Hausarrest gestellt. Die Berufungskammer des Kantonsgerichts Genf folgte damit einem Urteil des Bundesgerichts.

Linda Sperisen und der Anwalt Florian Baier.
Legende: Die Mutter des Angeklagten freut sich über die vorläufige Freilassung ihres Sohnes mit dem Anwalt Florian Baier. Keystone

Der schweizerisch-guatemaltekische Doppelbürger sass seit seiner Festnahme am 31. August 2012 im Genfer Gefängnis Champ-Dollon in Haft. Er war wegen mehrfachen Mordes schuldig gesprochen worden. Der ehemalige Polizeichef von Guatemala war 2007 in die Schweiz geflüchtet.

Sperisen muss jetzt den Hausarrest in der Wohnung seiner Frau in der Altstadt von Genf verbringen und dafür eine elektronische Fussfessel tragen. Zweimal pro Tag darf er das Haus verlassen, muss sich aber zugleich dreimal pro Woche auf einem Genfer Polizeiposten melden. Weil noch verwaltungsrechtliche Details zu klären sind, kommt er nicht vor Montag frei.

Die Verurteilung

Erwin Sperisen wurde vom Kantonsgericht Genf im Juli 2015 zu einer lebenslänglichen Freiheitsstrafe verurteilt wegen Mordes an zehn Menschen. Er soll während seiner Zeit als Polizeichef des zentralamerikanischen Staates Guatemala an der Ermordung von Gefängnisinsassen beteiligt gewesen sein. Sperisen befahl damals die Niederschlagung der Revolte.

Erwin Sperisen in Polizeiuniform.
Legende: Erwin Sperisen war zwischen 2004 und 2007 Polizeichef von Guatemala. SRF

Die Verurteilung wurde nicht rechtskräftig, weil der Angeklagte das Urteil ans Bundesgericht weiterzog. Dieses hiess im Juli eine Beschwerde gegen die lebenslängliche Freiheitsstrafe teilweise gut und gab den Fall zur Neubeurteilung zurück an das Kantonsgericht Genf.

Anwälte sind zuversichtlich

Am Freitag hiess das Bundesgericht zudem die Beschwerde von Sperisen gegen seine Haft teilweise gut. Selbst wenn die Vorwürfe schwerwiegend seien und eine lange Freiheitsstrafe drohe, dürfe die Haft derzeit nicht weitergeführt werden, schreibt das Bundesgericht.

«Das ist noch kein Freispruch, aber ein wichtiger Schritt zur Anerkennung der Unschuld unseres Mandanten», sagte sein Anwalt Florian Baier.

Die Vorgeschichte

Erwin Sperisen war zwischen 2004 und 2007 Polizeichef von Guatemala. Anschliessend floh er in die Schweiz, wo er fünf Jahre unbehelligt lebte. Im August 2012 wurde er in Genf festgenommen. Grund waren zahlreiche Aufrufe von Amnesty International und der Organisation gegen Straffreiheit (TRIAL). Bei den Prozessen vor der ersten und zweiten Instanz in Genf mussten sich die Gerichte vor allem auf die Unterlagen der UNO-Kommission gegen Straflosigkeit in Guatemala (CICIG) stützen.

Erwin Sperisen in Polizeiuniform.
Legende: Sperisen kommandierte die Stürmung der Strafanstalt Pavón im Jahr 2005. SRF

Die Verurteilung geht auf einen Gefangenenaufstand 2005 in der Strafanstalt Pavón ausserhalb von Guatemala-Stadt zurück. Erwin Sperisen, der damalige Polizeichef, befahl die Niederschlagung der Revolte. Bei der Erstürmung des Gefängnisses wurden sieben Personen getötet. Die genauen Umstände der Erschiessung der Revolten-Anführer konnte nie aufgeklärt werden.

Zudem entwichen 2004 Inhaftierte aus dem Gefängnis «El Infiernito». Drei von ihnen kamen 2005 zu Tode, nachdem sie von der Polizei gefasst worden waren.

Das Kantonsgericht Genf sprach Sperisen in allen zehn Fällen wegen Mordes schuldig.

Kritik des Bundesgerichts

Das Bundesgericht kritisierte im Juli das Verfahren des Kantonsgerichts in mehreren Punkten. So sei Sperisens Recht auf Konfrontation mit wichtigen Belastungszeugen bezüglich massgeblicher Fakten nicht respektiert worden.

Das Bundesgericht bezeichnete auch die Würdigung bestimmter Beweise durch das Kantonsgericht als willkürlich. Zudem sei ein Anklagegrundsatz verletzt worden: Der Angeklagte sei für Tötungen verantwortlich gemacht worden, weil er an der Folter von Inhaftierten beteiligt gewesen sei. In der Anklageschrift fehlten dazu aber die entsprechenden Ausführungen.

Das Kantonsgericht muss sich jetzt mit den Kritikpunkten des Bundesgerichts auseinandersetzen. Ein neuer Prozess ist auf den 28. November angesetzt.

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