SRF News: Mit dem Abgang von Didier Burkhalter wird das Aussendepartement frei. Es wird aber auch spekuliert, Alain Berset könnte vom Inneren ins Äussere wechseln. Dann würde Cassis Innenminister. Géraldine Eicher, was halten Sie für wahrscheinlicher?
Géraldine Eicher: Ich halte beide Varianten für möglich. Cassis ist in der Regierung unverbraucht und noch unvoreingenommen. Das könnte helfen, neue Wege in der verfahrenen Situation mit Brüssel zu finden. Seine Mehrsprachigkeit ist ein Plus im Ausland. Andererseits ist es auch sehr plausibel, dass Alain Berset vom Innen- ins Aussendepartement wechselt. Auch er könnte dort mit seiner Affinität für Aussenpolitik für neue Impulse sorgen. Das Aussendepartement EDA könnte für ihm zudem ein Sprungbrett für die nächste Karriere sein, für die Zeit nach dem Bundesrat.
Cassis ist noch unvoreingenommen. Das könnte helfen, neue Wege in der verfahrenen Situation mit Brüssel zu finden.
Cassis hat als Parlamentarier stark die Interessen der Krankenkassen vertreten. Was könnte sich ändern, wenn er als Innenminister für die Gesundheitspolitik verantwortlich würde?
Prägen könnte er dort zunächst die AHV. Sie ist das dringendste Thema. Nach einem allfälligen Nein zur Rentenreform am nächsten Sonntag, könnte Cassis in die Pflicht genommen werden. Er müsste den Beweis erbringen, dass es eine wirtschaftsfreundlichere, mehrheitsfähigere Rentenreform gibt – und das ist keine einfache Aufgabe.
Auch bei einem Ja am nächsten Sonntag wäre Cassis im Innendepartement EDI gefordert. Auch dann müsste er die nächste AHV-Reform andenken. Als Innenminister hätte er auch die Möglichkeit, in gewissen Bereichen gegen mehr Regulierungen anzugehen, etwa im Bereich der Gesundheitsprävention.
Die FDP hat das Tessinproblem für die anderen Parteien jetzt gelöst. Dafür haben sie und die CVP nun ein Frauenproblem.
Was heisst die Wahl von Cassis für künftige Vakanzen? Spätestens mit dem angekündigten Abgang von Bundesrätin Doris Leuthard wird sich die Frauenfrage mit zusätzlicher Schärfe stellen.
Die FDP hat das Tessinproblem für die anderen Parteien jetzt gelöst. Dafür haben sie und die CVP nun ein Frauenproblem. Beide Parteien werden wohl die nächsten Vakanzen im Bundesrat haben, und müssen jetzt eiligst Frauen aufbauen. Sie haben fähige Frauen, nur hapert es seit Jahren an der gezielten Unterstützung. Nicht nur die Regionen wollen vertreten sein, sondern auch die Frauen, die notabene die Mehrheit in der Schweiz stellen.
Für künftige Vakanzen stellt sich aber noch eine ganz andere Frage: Für all jene, die mehr Leadership einfordern. Diese hätte Pierre Maudet eingebracht und sie auch verkörpert. Mit seinem Ruf nach mehr Selbstbewusstsein der Schweiz hat er ein gutes Resultat gemacht. Vielleicht hat er damit auch ein Türchen für etwas weniger Konformität und mehr Querdenkerinnen sowie Querdenker im Bundesrat aufgestossen.
Das Gespräch führte Roman Fillinger.