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Nach Zugentgleisung Gotthard-Basistunnel gesperrt: die wichtigsten Antworten

Die Schäden nach der Zugentgleisung im Gotthardtunnel sind gross – im Güterverkehr kommt es zu Stau. Antworten auf die drängendsten Fragen.

Was ist passiert? Im Gotthard-Basistunnel war vergangenen Donnerstag ein von Italien Richtung Deutschland fahrender Güterzug entgleist. Seither ist der 57 Kilometer lange Tunnel zwischen Bodio (TI) und Erstfeld (UR) gesperrt. Beim Unfall gab es glücklicherweise keine Verletzten. 

Italien will helfen

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Italien hat zugesichert, sich an der Lösung der Probleme nach der Entgleisung im Gotthard-Basistunnel zu beteiligen. Der stellvertretende Ministerpräsident Matteo Salvini sagte, dass er «die Angelegenheit mit grösster Aufmerksamkeit verfolgt». Techniker der italienischen Staatsbahnen würden mit ihren Kollegen aus der Schweiz und Deutschland zusammenarbeiten, um das Problem am Gotthard nach der Entgleisung schnell zu lösen, hiess es in einer Mitteilung des Infrastrukturministeriums, wie die italienische Nachrichtenagentur Ansa berichtet.

Was ist die Unfallursache? Wahrscheinlich ist der Güterzug wegen eines Radscheibenbruchs entgleist. Bei einer Weiche in Faido (TI), wo die Züge von einer in die andere Tunnelröhre wechseln können, driftete ein Wagen ab. In der Folge entgleisten alle nach ihm kommenden Wagen, insgesamt 23 von 30. Sie wurden teilweise oder komplett zerstört. Die Schweizerische Sicherheitsuntersuchungsstelle (Sust) hat einige Kilometer vor dem Unfallort Fragmente eines Rads und Spuren der Entgleisung gefunden.

Sind Güterzüge durch den Gotthardtunnel sicher?

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Die Züge, die von Süden her in den Gotthard-Basistunnel fahren, werden bei Claro (TI) automatisch durch Zugkontrolleinrichtungen geprüft. Das Bundesamt für Verkehr (BAV) hat im Jahr 2019 jedoch Mängel bei der Sicherheit von Güterzügen festgestellt. Die Qualitätsansprüche der Branche würden zu einem beträchtlichen Teil nicht erreicht, hiess es in einem Bericht, aus dem CH Media zitierte. Auch von Mängeln an den Rädern war die Rede.

Gegenüber SRF relativiert das BAV nun. «Die Sicherheit des Schienengüterverkehrs ist zufriedenstellend. Wir haben tiefe Unfallzahlen und der Güterverkehr ist sehr sicher», sagt Andreas Windlinger, Leiter Kommunikation beim Bundesamt für Verkehr. Einen Zusammenhang zwischen den 2019 gefundenen Sicherheitsmängeln und dem jetzigen Unfall im Gotthardtunnel sieht Windlinger nicht. «Ein Radbruch kommt sehr selten vor. Der letzte, der uns bekannt ist, liegt weit über zehn Jahre zurück.»

Viele Züge durch die Neat werden im Ausland beladen und kommen von dort in die Schweiz. «Darum ist es wichtig, dass wir mit den ausländischen Behörden sicherstellen, dass die Züge schon bei der Abfahrt im Ausland kontrolliert werden. Wir haben in den letzten Jahren unsere Zusammenarbeit mit den ausländischen Behörden intensiviert und machen zum Teil sogar gemeinsam Kontrollen vor Ort», so Windlinger. Laut Gesetz tragen die Eisenbahnunternehmen die Verantwortung für die Sicherheit ihrer Güterzüge – und sie haften bei einem Unfall.

Wie ist die Lage im Gotthardtunnel? Die Untersuchungsbehörden haben die Unfallstelle im Basistunnel teilweise freigegeben. Die Lokomotive und die fahrfähigen Güterwagen sind aus dem Tunnel befördert worden. 16 Wagen befinden sich nach wie vor an der Unfallstelle, ebenso liegen noch Ladegüter auf den Gleisen. Die SBB hat mit den Aufräumarbeiten begonnen. Die Schäden seien gross, man habe jedoch noch keine vollständige Übersicht, sagt SBB-Sprecher Reto Schärli.

Wann ist der Gotthardtunnel wieder offen? Die Analyse an der Unfallstelle dauert an. Wie lange es geht, bis eine Tunnelröhre wieder in Betrieb genommen werden kann, ist unklar. Schärli spricht von «mehreren Wochenenden», an denen die Sitzplatzzahl in beide Richtungen merklich eingeschränkt sei und die Reisezeit eine bis zwei Stunden länger dauern werde. Alle Züge werden laut SBB über den 16. August hinaus umgeleitet. Am Mittwoch um 15:30 Uhr wird die SBB an einer Medienkonferenz weiter informieren.

Wie läuft der Güterverkehr derzeit? Da beide Röhren des Gotthardtunnels gesperrt sind, verkehren Güterzüge über Alternativrouten. Diese können die Kapazitäten des Gotthards allerdings nicht auffangen. «Die neuen Neat-Basistunnel sind so gebaut, dass man mit Doppelstockzügen und hohen Güterwagen durchfahren kann. Man hat es aber versäumt, die Gotthard-Bergstrecke so herzurichten», sagt Eisenbahnexperte Werner von Andrian.

Für die Gotthard-Bergstrecke sind viele Züge zu hoch und der Lötschberg-Basistunnel kann nur einen zusätzlichen Zug pro Stunde und Richtung aufnehmen. Die Strecke über den Brennerpass ist wegen Bauarbeiten gesperrt. Auch über die Strasse kann nicht der ganze Güterverkehr bewerkstelligt werden.

Stauen sich die Züge an den Grenzen? Mit fast 70 Prozent des Transportvolumens auf der Schiene ist der Gotthard-Basistunnel für den Güterverkehr die wichtigste Strecke durch die Schweizer Alpen. Im Durchschnitt verkehren täglich knapp 100 Güter- und 60 Personenzüge. Mit der Sperrung beider Röhren gebe es nun Stau im Güterverkehr, betont SBB-Sprecher Reto Schärli. «Ein Teil der Züge, die durch die Schweiz fahren wollten, ist nun hierzulande abgestellt – die Abstellanlagen sind voll. Auch im Ausland warten zahlreiche Güterzüge auf die Durchfahrt.»

Was sagen Logistikunternehmen? Der grösste Transporteur zwischen der Schweiz und Italien ist Schöni Transporte. Geschäftsführer Daniel Schöni betont, dass die Sperrung des Gotthardtunnels für den Güterverkehr zum vergleichsweise günstigsten Zeitpunkt erfolgt sei. «Glücklicherweise sind in Italien Sommerferien. Entsprechend steht ein Grossteil der Industrie still und der Güterverkehr ist stark reduziert. So konnten wir gut Kapazitäten schaffen, um Güter statt auf der Schiene über die Strasse zu transportieren», erklärt Schöni.

Kommt nun meine Post zu spät?

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Die Post transportiert den Grossteil der Briefe und Pakete per Bahn von der Deutschschweiz ins Tessin und umgekehrt – nämlich rund 75 Prozent. Dennoch müssten sich Kundinnen und Kunden nicht sorgen, dass ihre Post nun verspätet oder gar nicht ankomme, teilt das Unternehmen auf Anfrage mit.

Die vier Postzüge, die normalerweise täglich durch den Gotthard-Basistunnel fahren, verkehrten jetzt über die Gotthard-Bergstrecke. «Sie verspäten sich deshalb um rund 30 bis 50 Minuten. Dank der Sonderanstrengungen unserer Mitarbeitenden sollte das jedoch für die Kundinnen und Kunden kaum spürbar sein», schreibt die Post. Um Zeit zu gewinnen, werde man zudem punktuell zusätzliche Strassentransporte einsetzen.

Sollte der Tunnel bis Anfang September gesperrt bleiben, wenn die italienische Wirtschaft wieder anzieht, könnte es auch auf der Strasse zu Kapazitätsengpässen kommen. Ins gleiche Horn bläst Transportunternehmer Benjamin Giezendanner: «Ein längerer Unterbruch wäre für die europäische Wirtschaft ein Desaster.»

Wie reagieren Grossverteiler? Coop-Logistikchef Daniel Hintermann spricht von einer «aussergewöhnlichen Situation». «Coop setzt im alpenquerenden Transitverkehr voll auf die Eisenbahn. Wegen der Sperre des Tunnels mussten wir kurzfristig komplett von der Schiene auf die Strasse ausweichen. Das war nicht einfach.» Die Migros lässt verlauten, dass man keine grösseren Probleme erwarte. Die Bahnwagen würden auf die Bergstrecke ausweichen und der Kombiverkehr werde über die Strasse abgewickelt.

Mitarbeit: Matthias Strasser, Adrian Lemmenmeier, Christian Häfliger.

SRF 4 News, 15.08.2023, 16 Uhr

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