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Neue Gewässerschutzverordnung Bund will Glyphosat-Grenzwert um das Hundertfache erhöhen

  • Gemäss der neuen Gewässerschutzverordnung will der Bund bei 25 Pestiziden den Grenzwert zum Teil massiv erhöhen. Der verwaltungsinterne Entwurf liegt der «Rundschau» vor.
  • Für das umstrittene Pestizid Glyphosat würde sich der Grenzwert um das Hundertfache erhöhen.
  • Ein erster Versuch, die Grenzwerte nach oben anzupassen, war 2017 gescheitert. Auch jetzt kündigt sich starker Widerstand an.

Laut der revidierten Gewässerschutzverordnung will der Bund den Grenzwert für 25 Pestizide teilweise massiv erhöhen. Die absolute Obergrenze für einzelne Giftstoffe soll neu 10 Mikrogramm pro Liter Wasser betragen. Das betrifft auch das weltweit umstrittene Glyphosat.

Der Bund hat die brisanten Vorschläge Ende August in die Ämterkonsultation geschickt. Der «Rundschau» liegt der verwaltungsinterne Entwurf der neuen Gewässerschutzverordnung vor.

Hundertmal mehr Glyphosat

Mit der neuen Verordnung dürfte deutlich mehr Glyphosat als heute in Schweizer Bäche und Flüsse gelangen. Auch für Glyphosat würde neu eine Obergrenze von 10 Mikrogramm gelten. Das ist hundert Mal mehr als heute.

Der Anforderungswert für sämtliche Pestizide beträgt heute 0,1 Mikrogramm pro Liter Wasser. Mit der Revision der Gewässerschutzverordnung will der Bund für jeden Wirkstoff individuelle Grenzwerte festlegen. Er unterscheidet zudem zwischen kurzfristigen und langfristigen Belastungen der Gewässer.

Insekten- und Vogelsterben wegen Pestiziden

«Das ist inakzeptabel», kritisiert Nationalrätin Tiana Angelina Moser (GLP/ZH). «Die Gesamtbelastung an Pestiziden ist bereits heute viel zu hoch.» Bereits heute gebe es in der Schweiz wegen der hohen Pestizidbelastung ein Vogel- und Insektensterben. «Wir brauchen tiefere und sicher nicht höhere Grenzwerte», verlangt Moser.

Für Nationalrat Beat Jans (SP/BS) ist der Vorstoss völlig unverständlich: «Höhere Grenzwerte für Pestizide widersprechen allem, was der Bundesrat sonst zum Thema sagt», so der ETH-Agrotechniker. Und er wählt aussergewöhnlich starke Worte: «Ich finde diesen Plan gelinde gesagt strohdumm!»

Höhere Grenzwerte finden auch Zustimmung

Der Plan des Bundes hat im Parlament aber auch Anhänger. «Wenn das wissenschaftlich sauber abgeklärt ist, sehe ich kein Problem», sagt Nationalrat Christian Wasserfallen (FDP/BE). Gerade bei Glyphosat habe man sehr viele und detaillierte Studien gemacht.

Und Nationalrat Werner Salzmann (SVP/BE) betont: «Wenn das Bundesamt für Umwelt sagt, dass das kein Problem sei, dann glaube ich das auch», sagt der gelernte Landwirt. «Ich finde es richtig, dass man der Landwirtschaft Hilfsstoffe zur Verfügung stellt, die die Qualität und Quantität der Produkte erhöhen.»

Bauernverband ist dagegen

Das Thema Pestizide ist zurzeit politisch äusserst heikel. Im Jahr 2020 dürfte die radikale Trinkwasser-Initiative an die Urne kommen. In diesem Umfeld reagiert Markus Ritter zurückhaltend auf die höheren Grenzwerte: «Das ist etwas, das wir gar nicht wollen», sagt der Präsident des Bauernverbandes und CVP-Nationalrat. Saubere Gewässer seien eine grosse Errungenschaft in der Schweiz. «Dazu müssen alle ihren Beitrag leisten, auch wir Bauern.»

Bundesamt will eigenes Papier nicht kommentieren

Das Bundesamt für Umwelt hat bereits Ende 2017 einen Anlauf unternommen, die Grenzwerte für 25 Pestizide zu erhöhen. Nach massivem Widerstand aus Umweltschutzkreisen hat das Bafu die Zahlen nach unten angepasst. Doch mit 10 Mikrogramm ist die Obergrenze noch immer deutlich höher als der heute geltende Wert von 0,1 Mikrogramm pro Liter.

Das Bafu wollte die neuen Zahlen gegenüber der «Rundschau» nicht kommentieren. Es handle sich um ein laufendes Verfahren.

Neue Grenzwerte ab 1.1.2019

Im erläuternden Bericht zur Revision der Gewässerschutzverordnung schreibt das Amt, dass diese Stoffe in Gewässern «verhältnismässig wenig toxisch» seien. Die neuen Grenzwerte seien wissenschaftlich und nach internationalen Standards hergeleitet worden.

Der Schutz empfindlicher Pflanzen, Lebewesen und Mikroorganismen sei gewährleistet, steht weiter im interne Bericht. Gemäss dem Verordnungsentwurf sollen die neuen Grenzwerte ab 1.1.2019 gelten.

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