Der Erweiterungsbau des Architekten David Chipperfield prägt den Zürcher Heimplatz. Das geometrische Gebäude aus hellem Jurakalkstein kontrastiert den grauen Winterhimmel. Im Innern durchflutet Licht die zentrale Halle. Helles Eichenholz, weisse Marmorböden, eine grosszügige Marmortreppe und Messing-Elemente kreieren ein edles, fast prunkvolles Ambiente.
Zwölf Jahre dauerten Planung und Bau des Erweiterungsbaus. 206 Millionen Franken hat er gekostet. Die feierliche – aber coronabedingt stille – Schlüsselübergabe gilt als Meilenstein in der Geschichte des Kunsthauses. Stadtpräsidentin Corine Mauch schwärmt: «Der Bau hat eine Grosszügigkeit, die man in Zürich sonst gar nicht so kennt. Es ist wirklich ein neuer Ort.» Und prunkvoll sei das Gebäude, aber nicht protzig: «Es ist von der Form her auch sehr schlicht.» Tatsächlich liefern eine strenge Geometrie und der Sichtbeton einen Ausgleich zu allfälligen ausstatterischen Frivolitäten.
Es ist eine Grosszügigkeit, die man in Zürich so nicht kennt.
Mit Chipperfield's Gebäude wird das Zürcher Kunsthaus zum grössten Kunstmuseum der Schweiz. Die Ausstellungsfläche beträgt neu 11'500 Quadratmeter, 5000 mehr als bisher. Dies bedeutet, dass das Kunsthaus mehr seiner verborgenen Schätze zeigen kann. «Das war die ursprüngliche Absicht und ist auch ganz wichtig für das Kunsthaus», betont Mauch.
Das Kunsthaus zeigt im Erweiterungsbau die Sammlungen von Emil Bührle, Werner Merzbacher und Hubert Looser. Darunter finden sich Werke von Grössen wie Cézanne, Monet oder Van Gogh. Zusätzlich sind im neuen Gebäude temporäre Ausstellungen geplant.
Der Erweiterungsbau wird in drei Etappen fürs Publikum zugänglich gemacht. Im kommenden Herbst geht es schliesslich in den Vollbetrieb. Das Kunsthaus rechnet durch das neue Gebäude auch mit mehr Publikum: «Unser Businessplan sieht vor, dass mehr Besucher aus der Romandie und dem grenznahen Ausland kommen», sagt Sprecher Björn Quellenberg.
So erwartet das Kunsthaus ab 2022 einen jährlichen Besucherzuwachs von rund 30 Prozent. Der Erweiterungsbau soll also jährlich rund 130'000 zusätzliche Personen ins Museum locken oder mehr. Stellt sich die Frage: Wie realistisch ist diese Prognose?
Ein Vergleich mit dem Kunstmuseum Basel zeigt: Es wird nicht einfach. Das Kunstmuseum Basel eröffnete im Jahr 2016 einen Erweiterungsbau der Architekten Christ & Gantenbein.
Das Kunstmuseum Basel rechnete ursprünglich damit, dank dem Erweiterungsbau rund 100'000 zusätzliche Eintritte zu generieren. Die Erwartungen lagen damit bei insgesamt 300'000 Besucherinnen und Besuchern.
Heute sagt Kommunikations- und Presseleiterin Karen Gerig: «Die Besucherzahlen sind gestiegen. Allerdings nicht in dem Mass, wie es erwartet worden war». Nur im ersten Jahr nach der Eröffnung wurden die Erwartungen mit 323'000 Eintritten übertroffen. In den letzten beiden Jahren gingen die Besucherzahlen wieder zurück – auf bis zu 230'000 Personen. «Dies könnte vor allem daran liegen, dass die Anzahl Sonderausstellungen gleich geblieben ist», erklärt Gerig.
In Zürich bleibt man optimistisch. «Das Angebot, welches wir in Zukunft haben werden, rechtfertigt unsere Erwartungen», sagt Direktor Christoph Becker. Die neue Fläche bedeute auch, dass man mit der Sammlung flexibler umgehen könne als heute. «Das Haus wird sich nicht so statisch präsentieren wie vor zehn oder fünfzehn Jahren», stellt Becker in Aussicht. Bleibt die Frage ans potenzielle Publikum: