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Neues aus dem Labor Werden Herzen bald mit Leim geflickt?

Zukünftig könnte die Chirurgie auf Klebstoff zurückgreifen: Das Forschungszentrum Empa entwickelt einen speziellen Leim.

Für den Test mit dem neuen Leim hat sich Polymer-Chemiker Claudio Toncelli etwas einfallen lassen. Das Laborgerät, das man dafür braucht, kann man nirgends kaufen. Es ist eine durchsichtige Kunststoffplatte, in der Mitte zwei feine Schläuche. In diesen wird der neue Leim zu Fäden gezogen, die man anschliessend im Labor auf physikalische und chemische Eigenschaften testet.

Die Empa St. Gallen ist eines der Materialforschungszentren des Bundes. Toncelli ist auf der Suche nach einem Leim, den die Chirurgen einsetzen können, wenn sie bei Patienten ein Loch im Herz finden. Das Problem sei, dass der Leim bei einem Herz, das schlägt, schnell härten muss, weil er einem hohen Druck standhalten muss.

Jedes hundertste Kind hat einen Herzfehler

Ein Loch im Herz ist gar nicht so unüblich: Jedes hundertste Kind kommt mit einem solchen Herzfehler zur Welt, den man aber operieren kann. Toncelli sucht nun nach einer einfacheren Lösung - einem Leim, mit dem man das Loch schnell und sauber flicken kann.

Leimfasern
Legende: Filigran und doch robust: Struktur des Leims unter dem Mikroskop (koloriert). Empa

Inspiriert hat den Italiener ein Leimfaden, den Meeresmuscheln verwenden um sich an Felsen, Booten, Stegen und Steinen festzumachen. Die Muschel von dort wieder zu lösen, ist ziemlich schwierig. Toncelli sucht deshalb nach einem Leim mit diesen mechanischen Eigenschaften: Ein Leim, der natürlich sei und bei dem man chemisch nichts verändern müsse.

Muschelprotein
Legende: Abdruck aus einer Gussform: Der Gewebekleber aus Muschelproteinen (koloriert). Empa

Das Team von Toncelli hat schon viel erreicht. Die Forscher haben herausgefunden, weshalb der Muschelleim so gut klebt und dabei doch elastisch bleibt. Im Laborversuch an Zellen funktioniert der Leim bereits. Bis die ersten Patienten mit dem Leim der Meeresmuscheln am schlagenden Herz behandelt werden können, brauche es aber noch viel Zeit.

Natürliche Materialen haben grosses Potenzial

Die Nachfrage der Spitäler sei da. Er wolle jetzt die Zusammenarbeit mit den Ärzten des Kantonsspitals St. Gallen vertiefen, damit diese den Leim testen können, sagt Toncelli. Selbstverständlich werden die Tests nicht an lebenden Patienten durchgeführt. Erste Versuche könne man etwa an Blutgefässen vornehmen, die man bei einer Operation entfernen musste.

Wann genau der Superkleber das erste Mal an einem Patienten zum Einsatz kommt, kann der Chemiker nicht sagen. Dafür brauche es noch viel Forschungsarbeit. Aber sicher sei: Materialien, die man sich von der Natur abschaue, hätten grosses Potenzial.

Weitere Informationen zum Projekt der Empa

SRF 4 News, 5.3.2020, 7:27 Uhr; gfem

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