Zum Inhalt springen

«No-Billag»-Initiative Die Konsequenzen sind umstritten

  • Am 4. März 2018 wird über die «No-Billag»-Initiative abgestimmt. Die Konsequenzen der Initiative sind umstritten.
  • Die Initianten wollen dem Bund verbieten, Radio- und Fernsehsender zu subventionieren.
  • Über alternative Finanzierungsmöglichkeiten von Radio- und Fernsehprogrammen sind sich Initianten und Medienökonomen uneinig.

In knapp vier Monaten kommt die «No-Billag»-Initiative zur Abstimmung. Die Initianten möchten Artikel 93 der Schweizer Verfassung ändern. Sie fordern im Initiativtext unter anderem: «Er (der Bund) subventioniert keine Radio- und Fernsehstationen.»

Bei dieser Formulierung bestehe für den Bund praktisch kein Spielraum mehr, sagt HSG-Professor, Benjamin Schindler: «Irgendwie vom Bund finanzierte Radio- und Fernsehlösungen sind völlig ausgeschlossen.» Aktuell beziehen neben den Radio- und Fernsehprogrammen der SRG, darunter auch SRF, 34 private Sender ebenfalls Gebühren.

Es brauche keine öffentlichen Sender, sondern einen Systemwechsel, argumentiert der SVP-Politiker und Co-Präsident der «No-Billag»-Initiative, Markus Horst: «Es wird auch in Zukunft eine Finanzierung möglich sein, aber es ist einfach nicht der Staat, der die Zwangsgebühren eintreibt.».

Es wird auch in Zukunft eine Finanzierung möglich sein, aber es ist einfach nicht der Staat, der die Zwangsgebühren eintreibt.
Autor: Markus Horst SVP-Politiker und Co-Präsident der Initiative

Dem widerspricht der ehemalige SRF-Chefredaktor Diego Yanez, heutiger Direktor der Journalistenschule MAZ. Er hat als Reaktion auf die «No-Billag»-Initiative den Verein «Nein zum Sendeschluss» gegründet: «90 Prozent der Sendungen, die SRF produziert, im Radio wie im Fernsehen, sind nicht finanzierbar ohne Gebühren. Keine ‹Tagesschau›, kein ‹Bestatter›, keine ‹Rundschau›, kein ‹Sport Live›. All dies ist ohne Gebührengelder nicht zu finanzieren.»

Keine ‹Tagesschau›, kein ‹Bestatter›, keine ‹Rundschau›, kein ‹Sport Live›. All dies ist ohne Gebührengelder nicht zu finanzieren.
Autor: Diego Yanez Gründer der Nein-Kampagne und ehemaliger SRF-Chefredaktor

(Un)denkbare Alternativen

Die Initianten sehen als mögliche Alternative zum heutigen System das sogenannte Pay-TV, Sender für die einzeln einbezahlt wird. Markus Horst sieht darin die beste Lösung: «Dann würden jene bezahlen, die wirklich wollen. Die können so viel ausgeben, wie sie wollen. Ob sie mehr Sport, Nachrichten oder mehr Unterhaltung wollen. Das ist technisch möglich und absolut kein Problem.»

Doch auch in diesem Punkt widerspricht Ex-SRF-Chefredaktor Diego Yanez: «Das ist undenkbar! Eine ‹Tagesschau›, ein ‹Bestatter›, ein ‹Echo der Zeit› ein Wirtschaftsmagazin ‹Eco›, das wäre so ein teures Abo, das würde kaum gekauft werden. Diese Sendungen und viele andere wären nicht zu finanzieren über solche Abos.»

Ein eigentliches Programm für Radio und Fernsehen könnte der Bund nicht mehr unterstützen.
Autor: Benjamin Schindler HSG-Professor für Öffentliches Recht

Die «No-Billag»-Initiative untermauert mit weiteren Sätzen, dass der Bund keine öffentlichen Radio- und Fernsehsender mehr finanziell unterstützen darf. So heisst es weiter:

  • «Der Bund oder durch ihn beauftragte Dritte dürfen keine Empfangsgebühren erheben.»
  • «Der Bund betreibt in Friedenszeiten keine eigenen Radio- und Fernsehstationen.»

Damit gäbe es nur noch ganz begrenzte Möglichkeiten, sagt HSG-Professor Benjamin Schindler: «Denkbar wären zum Beispiel die Unterstützung einzelner Filmprojekte oder punktuelle Unterstützungen dort, wo es um die sprachliche Vielfalt geht. Aber ein eigentliches Programm für Radio und Fernsehen könnte der Bund nicht mehr unterstützen.»

Wären Radio und TV noch finanzierbar? – Das sagt der Medienökonom

SRF News: Wäre bei Annahme der «No-Billag»-Initiative auch in Zukunft eine Finanzierung von Radio- und Fernsehprogrammen möglich?

Manuel Puppis

Box aufklappen Box zuklappen
Mann mit Brille vor Bücherregal
Legende: zVg

Der Professor für Mediensysteme und Medienstrukturen an der Universität Freiburg befasst sich in seiner Forschung u.a. mit dem Schweizer Mediensystem und der Medienökonomie.

Manuel Puppis: Aufgrund der Kleinheit der Schweizer Sprachregionen ist im Fernsehen davon auszugehen, dass nur in der Deutschschweiz ein rentabler Sender betrieben werden könnte. In der Romandie, der italienischen und der rätoromanischen Schweiz lässt sich schlicht kein werbefinanziertes Vollprogramm betreiben. Auch die privaten Regionalsender, die heute Gebühren erhalten, müssten ihre Kosten massiv herunterfahren.

Geld für regionale Informationssendungen wäre kaum mehr vorhanden, sofern die Sender überhaupt überleben würden. Es bliebe nichts anders übrig als Programme zu produzieren, die möglichst viele Werbeeinnahmen generieren und möglichst kostengünstig sind. Das wäre aber ein Programm, das nichts mehr mit einem Service-public-Auftrag zu tun hätte.

Hätte ein Pay-TV für Information und Kultur auf dem Schweizer Medienmarkt Überlebenschancen?

Die vier sprachregionalen Fernsehmärkte in der Schweiz sind viel zu klein, um dafür genügend Abonnenten zu generieren. Was in der Schweiz funktionieren kann, ist Pay-TV für Sportübertragungen sowie eingekaufte Filme und Serien. Aber ein Service-public-Angebot über Pay-TV zu finanzieren ist illusorisch. Mit Werbung lassen sich am ehesten Unterhaltungssendungen produzieren, die sich an die werberelevante Zielgruppe der 14- bis 49-Jährigen richten und deren Kosten nicht zu hoch sind.

Das Interview führte Luzia Tschirky.

Meistgelesene Artikel