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Schweiz «No-Go-Areas» an bester Lage: Der Kampf um die Schweizer Seeufer

Die Promenaden entlang der Gewässer sind gefragte Ausflugsziele. Doch viele sind in Privatbesitz. In Rorschacherberg planen Initianten den Goldenen Mittelweg: Flaneure sollen über den Bodensee geleitet werden. Das Projekt steht für einen ungelösten Interessenkonflikt.

Die Schweiz ist auch ein Land der Seen. Die von sanften Hügeln oder schroffen Gebirgsmassiven umschlossenen Gewässer gehören zum «Sehnsuchtsort Schweiz» wie das Matterhorn. Und sie zählen zu den beliebtesten Erholungsgebieten von vielen Schweizern.

Doch die Flucht vom Alltagsstress kann jäh durchkreuzt werden – und am Demokratieverständnis rütteln. Denn nicht überall ist der Zutritt zu den Postkartensujets erlaubt. So etwa an der Zürcher Goldküste, wo sich die gut Betuchten in den Gärten ihrer feudalen Anwesen sonnen. Alle anderen flanieren auf der Schattenseite am gegenüberliegenden Seeufer.

Wandelt man am Bodensee bald übers Wasser?

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Umstrittener Uferweg am Bodensee
aus Rendez-vous vom 15.05.2015. Bild: ZVG
abspielen. Laufzeit 8 Minuten 29 Sekunden.

In Rorschacherberg am Bodensee soll nun die Quadratur des Kreises gelingen. Hier soll ein Ufersteg im See gebaut werden, über die Realisierung des Projekts entscheidet das Stimmvolk. Gemeindepräsident Beat Hirs beschreibt das Vorhaben mit den Worten: «Man hat einen Kompromiss gesucht, und am Schluss landete man im See.»

Kritiker des ambitiösen Bau-Projekts gibt es viele, etwa Markus Lörtscher (SVP), Präsident des Gegenkomitees: «Der Mensch gehört aufs Land. In der Evolution ist er vom Wasser aufs Land gekommen. So ein Betonsteg vom Land aufs Wasser – das gehört einfach nicht hierher».

Man hat einen Kompromiss gesucht, und am Schluss landete man im See.
Autor: Beat Hirs Gemeindepräsident von Rorschacherberg

Neben evolutionsbiologischen Bedenken gibt es auch handfestere Einwände aus den unterschiedlichsten Lagern. SRF-Inlandredaktor Max Akermann beschreibt den Reigen der Kritiker: Die Seeanstösser fühlten sich gestört über von den vermeintlichen Schaulustigen in Sichtweite ihrer Prachtvillen; Umweltschützer beklagten den Eingriff in die Natur, und die Flaneure wollten sich entlang des Ufers und nicht auf einer künstlichen «Seebrücke» bewegen. Akermanns Fazit: «Im Einzelfall mag ein Steg eine Lösung sein. Aber eigentlich finden so etwas alle schlecht.»

Heikle Interessenabwägung

Der Zwist in Rorschacherberg steht stellvertretend für einen landesweiten Interessenkonflikt – der gemäss Akermann schwierig zu lösen ist: «Seeufer sind gefragte Wohngegenden, allerdings für wenige. Und sie sind beliebte Naherholungsgebiete, für viele.» Dazu kommen rechtlich heikle Fragen: «Der Schutz des Privateigentums ist ein sehr hohes Gut in der Schweiz.»

Ein Blick auf die Residenz des ehemaligen Formel-1-Rennfahrers Michael Schumacher
Legende: Prominente wie Michael Schumacher schätzen die Privatsphäre an bester Wohnlage in Ufernähe. Keystone

Dagegen steht der Anspruch der Allgemeinheit, sich frei zu bewegen: «In der Schweiz darf man grundsätzlich über Wiesen und durch Wälder – auch wenn die im Privatbesitz sind.» Im Unterschied etwa zu Italien, wo man auf Wanderungen immer wieder einmal vor Zäunen stehe, sei dies seit über 100 Jahren im Zivilgesetzbuch verankert, hält Akermann fest.

Auch verlange das Raumplanungsgesetz von den Behörden, dass die See- und Flussufer freigehalten würden. «Daraus aber den Anspruch auf freien Zugang abzuleiten, sei nicht statthaft, finden zum Beispiel die Experten beim Bundesamt für Raumplanung», relativiert der Inlandredaktor.

«Rives publiques» kämpft für freie Sicht aufs Seeufer

In einzelnen Fällen, etwa am Bieler- oder Hallwylersee, sei eine allen Parteien genehme Lösung gefunden worden. «Andernorts wird immer wieder, zum Teil seit Jahrzehnten, auf politischer und rechtlicher Ebene gestritten», so Akermann. In der Schweiz kämpft der Verein «Rives publiques» – «öffentliche Ufer» – dafür, dass der Zugang zu den Gewässern überall gewährleistet wird.

Ob die Bewegung, über deren Urheber bislang wenig bekannt ist, am Anfang eines Paradigmenwechsels steht, ist laut Akermann ungewiss: «Mit der Initiative, könnte sicher auch eine kleine Organisation Erfolg haben.» Um zu merken, mit welch einflussreichen Gegnern man es zu tun habe, genügt jedoch eine Bootsfahrt auf dem Genfersee: «Dort sind 97 Prozent des Seeufers verbaut, oft mit Prachtvillen von Industriegrössen oder Autorennfahrern.» Ob sich diese vom Volkswillen ausbremsen lassen, bleibt fraglich.

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