Die Genfer Finanzdirektorin Nathalie Fontanet ist stolz und beunruhigt zugleich. Stolz, weil ihr Kanton erstmals die Rangliste der wirtschaftsstärksten Kantone anführt. Beunruhigt, weil 543 Millionen Franken sehr viel Geld ist, das sie nun im eigenen Staatshaushalt einsparen muss.
Mehr Steuereinnahmen dank Rohstoffhandel
Genf müsse mehr in den Nationalen Finanzausgleich (NFA) zahlen als Zürich und Zug, sagt die Freisinnige. Und sie weiss auch, warum. 2022 habe ihr Kanton mehr Steuern kassiert als alle anderen. Grund ist der Rohstoffhandel, der wegen der hohen Rohstoffpreise in der Krise viel Geld in die Staatskasse spülte.
Knapp vier Jahre später sind die Preise wieder gesunken. Das merkt auch die Finanzdirektorin. Weil beim NFH immer später abgerechnet wird, flattert die gesalzene Rechnung des Bundes aber erst jetzt ins Haus. Die Rechnung gelte es zu begleichen, so Fontanet, einfach sei das nicht. Sie will dazu die Staatsausgaben reduzieren und hat bereits angekündigt, im kommenden Frühling ein umfassendes Sparprogramm vorzulegen.
Kommt Genf neue Rolle in Bern zu?
Während Genf zu Hause spart, wird das Selbstbewusstsein nach aussen stärker. Eine offene Frage ist, ob die neue Rolle dem Kanton in der Bundesstadt Bern zusätzliches politisches Gewicht verschafft. Nicht unbedingt, sagt der Genfer SP-Ständerat Carlo Sommaruga.
Viele Vertreter jener Kantone, die vom Finanzausgleich profitieren, würden nämlich darauf hinweisen, dass sie zu Genfs Reichtum beitragen und darum zu Recht NFA-Gelder bekommen. Als Beispiel nennt Sommaruga die Uhrenmanufakturen im Jurabogen. Sie produzieren Einzelteile für Genfer Uhrenmarken.
Doch dann kommt Sommaruga auf eine Episode zu sprechen, die ihn und viele Genfer bis heute kränkt. Die «Weltwoche» habe die Westschweizer vor Jahren als die Griechen der Schweiz bezeichnet. Das sei immer falsch gewesen – und heute sei Genf sogar Klassenbester.
Internationales Genf auch für Schweiz bedeutsam
Den Spitzenplatz im NHF will Sommaruga vor allem dazu nutzen, wenn es darum geht, den UNO-Standort Genf zu stärken. Sein Argument: Wenn es Genf gut geht, geht es auch der Schweiz gut.
Aus Genf fliesse viel Geld zum Bund zurück, betont auch Sommarugas Ständeratskollege Mauro Poggia vom Mouvement Citoyen Genevois. Jeder Franken fürs internationale Genf sei eine Investition, keine Ausgabe. Genf brauche auch weiterhin die Unterstützung des Bundes, weil die multilaterale Diplomatie und damit der UNO-Standort Genf heute extrem unter Druck seien.
Genf laut Prognose auch künftig grösster Geldgeber
Für Poggia ist darum klar: In Bern werde er weiterhin bescheiden auftreten. Anders als seine Ratskollegen aus Zürich, die auch wegen ihrer Wirtschaftskraft mit einer gewissen Arroganz auftreten, so Poggia. Als Genfer könne er sich solches nicht leisten.
Der Kanton Genf dürfte im nächsten Jahr im sogenannten Ressourcenindex weiter aufsteigen und für die nächsten vier Jahre der grösste NFA-Zahler bleiben. So lautet die Prognose der eidgenössischen Finanzverwaltung. Für Genf ist das eine gute und schlechte Nachricht zugleich.