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Adolf Ogi erinnert sich
Aus News-Clip vom 13.01.2017.
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Eklat bei Staatsbesuch Ogi besänftigte Jiang Zemin mit Kristall

Plötzlich half nur mehr ein kleines Geschenk. 1999, beim Staatsbesuch von Jiang Zemin. Demonstrationen, Fragen nach den Menschenrechten und eine falsche Platzierung liessen dem chinesischen Staatspräsidenten den Kragen platzen. Die Erinnerungen von alt Bundesrat Adolf Ogi.

SRF News: Befürchtete man vor dem Staatsbesuch von Jiang Zemin Szenarien, die ihn brüskieren könnten?

Adolf Ogi: Man wusste, dass es eine Demonstration geben würde, aber man kannte die Details nicht. Man hatte nicht damit gerechnet, dass die Demonstration so imposant werden würde. Man hat nicht damit gerechnet, dass die Tibeter auf dem Dach der UBS und der Kantonalbank sich lautstark in Szene setzen würden. Das hat man nicht gewusst und das hat man auch unterschätzt.

Hat man auch die Reaktion von Jiang Zemin unterschätzt?

Er hat sich geweigert, die Ehrenkompanie abzuschreiben. Man fand einen Kompromiss, ihn vor das Bundeshaus zu fahren. Er wurde fast hineingestossen in das Bundeshaus, nicht von unseren Leuten, aber von den chinesischen Sicherheitsleuten.

Im Bundeshaus hielt Jiang Zemin dem Bundesrat fast eine Standpauke, was ging Ihnen da durch den Kopf?

Too much is too much! Da hat er natürlich alle Sympathien verscherzt. Als er gesagt hat: «Sie haben einen guten Freund verloren», das wäre noch gegangen. Aber als er zu Ruth Dreifuss gesagt hat: «Frau Präsidentin, Sie sind nicht in der Lage, das Land zu regieren», das war dann zu viel. Das hat dazu geführt, dass die beiden Delegationen sich nicht zu den üblichen Gesprächen getroffen haben. Man hat stattdessen entschieden, ich solle als Vizebundespräsident mit Jiang Zemin in mein Departement gehen, um über Sicherheitspolitik zu sprechen. Am Ende dieser Diskussion war er wieder zugänglich, zufrieden, alles ging den ordentlichen Verlauf bis abends beim Bankett. Als die zweite Entgleisung stattfand.

Was machten Sie da? Sie mussten innert Sekunden entscheiden, wie Sie mit dieser Situation umgehen.

Situationsgerecht handeln. Als er beim Bankett gesagt hat: «Ich gehe jetzt», da habe ich ihn mit beiden Händen angefasst, am Arm. Das darf man nicht, das sollte man nicht. Aber ich musste es tun, ich musste verhindern, dass er abmarschiert. Das wäre für unser Land eine Katastrophe gewesen. Er verlangte zuerst Bleistift und zeichnete mit der Faust eine chinesische Blume. Ich habe ihm anschliessend den Bergkristall gezeigt und gesagt, er solle nicht böse sein, das Leben sei zu kurz um böse zu sein, und ich entschuldigte mich für den Faux-pas der falschen Platzierung.

Dem Bergkristall wird nachgesagt, er sorge für Klarheit und Ordnung. Hat er also seine Aufgabe damals erfüllt?

Diese Frage darf und muss ich mit Ja beantworten, man kann vielleicht auch sagen: Dieser kleine Bergkristall hat den Staatsbesuch gerettet. Ein Jahr später reiste ich zu Jiang Zemin nach China und er sagte: «Die Vorkommnisse in Bern sind vergessen.»

War der Bundesrat damals etwas blauäugig oder mutig?

Mutig. Frau Dreifuss war mutig, das so einfach anzusprechen. Sie hat den Staatspräsidenten in Genf empfangen und ist mit ihm nach Bern gefahren – im Zug. Ich war nicht dabei, aber man hat mir gesagt, sie habe schon da unsere Werte dargestellt und natürlich die Menschenrechte thematisiert.

Ogi und der Bergkristall

Adolf Ogi trägt immer einen Bergkristall bei sich: «Er ist mein Glückbringer, mein Begleiter, der Kristall ist der Glanzpunkt unter den Mineralien, er hat eine unglaubliche Kraft», so Ogi. Seine Familie war immer als Stahler tätig. Ogi erhielt seine Kristalle von seinem Cousin oder Onkel. Bei seinem Amtsantritt erhielt er selber einen Kristall geschenkt, «er sollte mir Kraft geben für das schwierige Amt.» Ogi übergab verschiedenen Persönlichkeiten Kristalle, Kofi Annan, dem Papst oder Bill Clinton. Aber nicht allen: «Bush hat keinen bekommen, er hat den Irak-Krieg begonnen. Ich habe Kristalle sehr zurückhaltend verschenkt», sagt Ogi.

Adolf Ogi

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Adolf Ogi
Legende: keystone

1942 in Kandersteg (BE) geboren, war er von 1987 bis 2000 Bundesrat für die SVP. Nach seinem Rücktritt wurde er Sonderberater für Sport im Zeichen von Entwicklung und Frieden bei der UNO – und direkter Berater des Generalsekretärs. Vor dem Amt als Bundesrat war er im Schweizer Skiverband tätig.

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