Darum geht es: Auf das Gas-Reservekraftwerk in Birr AG ist ein Hackerangriff verübt worden. Ein Mailkonto der Kraftwerkbetreiberin Prismecs wurde gekapert. Zunächst hatten die Online-Newsportale von Tamedia über den Vorfall, der sich schon Anfang Mai zugetragen hatte, berichtet. Laut dem Bundesamt für Energie wurde auch der zuständige Bundesrat Albert Rösti über den Vorfall informiert. Die Einsatzfähigkeit des Reservekraftwerks sei nie gefährdet gewesen, hiess es.
Der Vorfall: Prismecs ist ein Konzern mit Hauptsitz in Houston im US-Bundesstaat Texas. Eine Tochterfirma von Prismecs betreibt das Reservekraftwerk in Birr. Laut Medienberichten attackierten die Hacker das Mailkonto eines Prismecs-Managers und versendeten dann im Namen des Schweiz-Chefs von Prismecs Phishing-Mails. Bei dem Fall dürfte es sich um einen der ersten meldepflichtigen Angriffe in der Schweiz gehandelt haben. Seit dem 1. April müssen Cyberattacken auf kritische Infrastrukturen umgehend dem Bund gemeldet werden.
Angriffe über IT-Systeme, an denen viele Menschen beteiligt sind, sind oft Einfallstore für grössere Cyberangriffe.
Spezieller Fall: Normalerweise würde ihn dieser Phishing-Angriff kaum beunruhigen, sagt der Cybersecurity-Experte Raphael Reischuk. Solche Angriffe kämen jeden Tag vor. Und auch wenn er den Vorfall in Birr nicht aufbauschen wolle: «Wenn wir an das Blackout kürzlich in Spanien und Portugal denken oder an die derzeitige Austragung des ESC in Basel oder an die Wichtigkeit von Genf bezüglich vielfältiger geopolitischer Bemühungen, könnten grundsätzlich staatliche Akteure an einem Angriff auf die Schweiz interessiert sein.» Gerade solche Angriffe begännen oft mit dem Sammeln von allgemeinen Informationen über das Angriffsobjekt.
Schlecht kommuniziert: In einem Cyberangriffsfall wie dem in Birr sei es wichtig, transparent und klar über den Vorfall zu berichten – nur so könne eine womöglich von den Angreifern angestrebte Verunsicherung verhindert werden, so Reischuk. «Die Empfehlung ist immer: Möglichst klar kommunizieren.» Denn, wenn einfach nichts gesagt werde, wie das die Betreiberfirma Prismecs in Birr tue, könnte das so gedeutet werden, dass womöglich weitere Angriffe im Gange seien. «Es wäre deshalb wünschenswert, wenn sich die Betreiber möglichst bald äussern würden», betont Reischuk.
Verwundbare Systeme: In den letzten Jahren ist es immer wieder zu Cyberangriffen auf kritische Infrastruktur in der Schweiz gekommen – auch auf Kraftwerke – wenn auch ohne gravierendere Folgen. Oftmals hätten diese mit Phishing-Angriffen begonnen, sagt Cyberexperte Reischuk. «Angriffe über IT-Systeme, an denen viele Menschen beteiligt sind, sind oft Einfallstore für grössere Cyberangriffe.» Immerhin seien die Energie- oder Wasserversorgungssysteme in der Schweiz gut geschützt. Der Schutz bedürfe aber jedes Jahr Millionen an Investitionen.