Konrad Graber, CVP-Ständerat aus dem Kanton Luzern, kann sich noch genau an die entscheidenden Sitzungen der Sozialkommission erinnern. Am Ende hatte er seine Idee einstimmig durchgebracht: die Unternehmenssteuer-Reform, die das Volk bachab geschickt hatte, mit einer Zusatz-Finanzierung für die AHV zu versüssen – das, nachdem 2017 auch eine Altersreform gescheitert war.
Falsche Verknüpfung oder genialer Kompromiss?
So wurden zwei Sachen verknüpft, die eigentlich nichts miteinander zu tun haben. Und deswegen wird diese Verknüpfung, gegen die noch das Referendum läuft, auch scharf kritisiert: Aber Kompromisspolitiker Graber sagt: «Wenn wir diese Flexibilität nicht mehr haben, dann sind wir so eingeschränkt, dass wir gar keine Lösungen mehr finden.»
AHV-Reform seit über 20 Jahren blockiert
Denn Lösungen, Kompromisse zu finden, gerade bei den «grossen» Themen wie Steuern und Sozialwerken, ist schwieriger geworden. Das zeigt allein der Blick auf die Entwicklung bei der AHV: Folgten sich nach dem Zweiten Weltkrieg die Anpassungen der ersten Säule in schöner Regelmässigkeit, kam seit mehr als 20 Jahren, trotz mehrerer Anläufe, keine Revision mehr zustande.
Die Polparteien werden für ihre Extrempositionen belohnt.

Grund ist für Ständerat Graber die politische Polarisierung. Damit meint er, dass heute die Ränder des politischen Spektrums grösseres Gewicht haben: zum einen die erstarkte Linke mit SP und Grünen, zum anderen aber vor allem der Rechtsruck im bürgerlichen Lager mit der SVP, deren Wähleranteil sich seit den frühen 1990er-Jahren weit mehr als verdoppelt hat.
Graber unterstellt, diese Parteien hätten oft gar kein Interesse an tragfähigen Kompromisslösungen: «Sie werden ja für ihre Extrempositionen noch belohnt von den Wählern», so der CVP-Politiker nicht ohne Bitterkeit.
Noch kann unser System das auffangen.
Dass es einen solchen Mechanismus gibt, bestätigt Denise Traber. Die Luzerner Politologin forscht zur Schweizer Konsensdemokratie und zur Polarisierung.
Der grosse Schulterschluss ist selten geworden
Dass der grosse Schulterschluss seltener geworden ist, könne man auch an Zahlen aus der Parlamentsarbeit ablesen: Noch in den Neunzigerjahren gingen 70 Prozent der Schlussabstimmungen in National- und Ständerat praktische einstimmig aus, heute sind es weniger als die Hälfte.
Auch stürzen mehr Vorlagen bereits im Parlament ab oder werden an den Bundesrat zur Überarbeitung zurückgeschickt. Traber sagt: «Noch kann unser System das auffangen» und schiebt nach: «Schwieriger würde es, wenn eine Seite, sei es Mitte-Links oder Mitte-Rechts, in beiden Parlamentskammern stabile Mehrheiten hätte».
Kompromisskultur zentral für die Schweiz
Konrad Graber, der bei den nächsten Wahlen nicht mehr antritt, glaubt auch weiterhin fest daran, dass das Miteinander in der Politik in der Schweiz zentral bleibt – oder vor allem, bleiben muss: «Sonst werden wir nirgends mehr einen Schritt vorwärts machen und in vielen Bereichen Probleme bekommen.»
Voraussichtlich im Mai stimmen wir über den sogenannten Steuer-AHV-Deal ab. Der Vorlage erwuchs, nach der Einstimmigkeit in der Ständeratskommission, im Nationalrat lautstarke Opposition von Links und Rechts. In der Volksabstimmung wird sich zeigen, ob auch dieser Kompromiss durchfällt.
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