Der Verwaltungsrat der Post hat entschieden: Konzernchefin Susanne Ruoff bleibt. Es war nicht auszuschliessen, dass das Aufsichtsgremium Ruoff suspendieren oder gar entlassen würde, denn der politische und mediale Druck hatte seit dem Auffliegen der Postauto-Affäre vor anderthalb Wochen enorm zugenommen – bis hin zur Forderung, dass nun «Köpfe rollen» müssten.
Dass ausgerechnet bei den Postautos, einem Symbol schweizerischer Zuverlässigkeit, jahrelang die Buchhaltung manipuliert wurde, ist schwer zu verstehen und unbestritten ein Skandal. In der Öffentlichkeit stand deshalb für viele fest, dass es nicht genügte, dass nur der Leiter von Postauto Schweiz und sein Finanzchef zu gehen hatten.
Etliche sahen die Verantwortung weiter oben, bei der Konzernleiterin der Post. Niemand wäre überrascht gewesen, hätte sich der Verwaltungsrat von Ruoff getrennt.
Die Entlassung wäre unverhältnismässig gewesen
Er hat es nicht getan. Dazu hatte er gute Gründe. Denn noch ist zu wenig darüber bekannt, was die Post-Chefin über die Vorgänge bei Postauto wusste oder hätte wissen müssen. Eine Entlassung Ruoffs wäre zum jetzigen Zeitpunkt unverhältnismässig gewesen. Aber aus der Geschichte heraus ist sie noch nicht.
Aufgrund der bevorstehenden Untersuchungen könnte der Verwaltungsrat immer noch zum Schluss kommen, dass sie am Skandal massgeblich schuld war. Doch vorläufig gilt für Ruoff die Unschuldsvermutung. Es wird ihr auch zugute gehalten, dass nur dank ihrer Initiative das Bundesamt für Verkehr den Skandal überhaupt erst aufdecken konnte.
Die rasche Entlassung der Konzernleiterin wäre ohnehin eine zu einfache Lösung gewesen. Man hätte mit dem Finger auf sie gezeigt und dabei möglicherweise zu schnell vergessen, dass hinter dem Skandal mehr steckt als das illegale Verhalten einzelner Postauto-Manager. Verwaltungsratspräsident Schwaller sprach von einem systemischen Problem, um ein Versagen verschiedener Instanzen.
Warum konnte es passieren, dass bei Postauto die Buchhaltung jahrelang manipuliert wurde, ohne dass die Revisoren Alarm schlugen, die Sache in der Konzernführung der Post und im Verwaltungsrat kein Thema war, das Bundesamt für Verkehr die verbotenen Handlungen nicht erkannte und die Politik von allem nichts wusste?
Und was war überhaupt das Motiv? Auch darüber herrscht Ungewissheit. Wenn es nicht um persönliche Bereicherung ging, wie heute angenommen wird, was war es dann? Einiges deutet darauf hin, dass die Postauto-Manager mit einem grundsätzlichen Dilemma nicht zurechtkamen und sich dadurch in die Illegalität treiben liessen: nämlich gewinnbringend wirtschaften zu müssen, obschon dies im subventionierten Bereich, der 85 Prozent des Postauto-Umsatzes ausmacht, verboten ist. Alle diese Fragen werden jetzt untersucht. Gegen eine halbe Million Belege gilt es nach Angaben von Schwaller zu prüfen. Die Aufarbeitung des Postauto-Skandals steht erst ganz am Anfang.