Zum Inhalt springen

Header

Inhalt

Therapeuten ohne Uni-Abschluss Therapieplätze verschwinden wegen Anordnungsmodell

Nicht alle Therapeutinnen dürfen ihre Leistungen über die Grundversicherung abrechnen. So verschwinden Therapieplätze, die dringend benötigt würden. Und die betroffenen Therapeuten verlieren Einnahmen.

Seit Anfang Jahr gilt für Psychologen nur noch das sogenannte Anordnungsmodell. Sie können also selber mit der Grundversicherung der Krankenkassen abrechnen; wenn sie die vom Gesetzgeber definierten Anforderungen erfüllen. Etliche Therapeutinnen stehen vor einer ungewissen Zukunft.

So zum Beispiel die Zürcher Bewegungstherapeutin Elsbeth Hürlimann. «Es bedeutet ein grosses Loch. Wie das weitergeht, weiss ich noch nicht.» Hürlimann arbeitet seit 30 Jahren mit Menschen, die an Essstörungen leiden. Lange an der Universitätsklinik Zürich, seit mehr als 20 Jahren als Therapeutin in Delegation. Das heisst, ihre Ausbildung wurde geprüft und sie erhielt die Zulassung. Darum konnte sie bis jetzt mit der Grundversicherung der Krankenkassen abrechnen.

«Es kommt einem Berufsverbot gleich»

Das ist jetzt nur noch möglich, wenn man ein Psychologiestudium an einer Hochschule abgeschlossen und drei Jahre klinische Erfahrung erlangt hat, unter anderem in einer psychotherapeutisch-psychiatrischen Einrichtung. Hürlimann hat ihre Ausbildung nicht an der Uni gemacht. «Ich kann eigentlich nicht mehr arbeiten. Es kommt einem Berufsverbot gleich.»

Ein Berufsverbot – das ist drastisch ausgedrückt. Die Therapeutinnen können weiterarbeiten: wenn die Patienten die Therapien selber bezahlen oder über eine Zusatzversicherung verfügen. Dort liege der Haken, sagt die Bieler Körpertherapeutin Vatika Brigit Jacob. «Viele meiner Klientinnen können es sich nicht leisten, eine regelmässige Therapie selber zu bezahlen.»

Jacob rechnet mit zirka 80 Prozent weniger Patienten. Viele müssten sich eine andere Therapeutin suchen – eine schwierige Aufgabe. Schweizweit fehlen Plätze. 

Eine Frau ist bei einem Therapeuten.
Legende: Pandemie, Krieg, Klimawandel und steigende Lebenskosten führten zu Verunsicherungen: «Die Ängste, Panikattacken, das hat wirklich sehr zugenommen in letzter Zeit», sagt die Körpertherapeutin Jacob. Keystone/Christian Beutler

Gesetz und Verordnung wurden vom Bundesamt für Gesundheit (BAG) ausgearbeitet. Dort heisst es, das neue Anordnungsmodell führe zu mehr Therapieplätzen. Neu können auch Hausärzte oder Onkologinnen ihren Patienten eine Anordnung für eine Psychotherapie bei einer Psychologin schreiben. Bisher musste eine Psychiaterin delegieren.

Das sagt das BAG

Box aufklappen Box zuklappen

«Der Wechsel zum Anordnungsmodell wird den Zugang der Patientinnen und Patienten zu den Therapien erleichtern und beschleunigen. Und zwar, weil nun ein breiterer Kreis von Ärzten Psychotherapien anordnen kann. Und weil insbesondere auch mehr Therapeutinnen und Therapeuten zur Verfügung stehen werden, als das bisher der Fall ist», sagt BAG-Sprecher Jonas Montani. Denn der Beruf werde nun attraktiver.

Zum Punkt der Therapeutinnen, die nicht mehr abrechnen können, meint BAG-Sprecher Jonas Montani: Klare Qualitätsanforderungen an die Aus- und Weiterbildung der Therapeutinnen seien vom Bundesrat als auch von den Verbänden ausdrücklich gewünscht und befürwortet worden. 

Im Grunde einverstanden ist die Psychiaterin Eva Mokros. Sie findet die geschaffenen Einheiten gut. Doch: «Für die bestehenden Therapeuten, die schon langjährig im Beruf sind und sehr viel Erfahrung haben, wird die Erfahrung gleich null gesetzt. Das finde ich nicht sinnvoll und nicht fair.»

Audio
Aus dem Archiv: Psychotherapie neu auch über Grundversicherung
aus Ratgeber vom 04.07.2022. Bild: colourbox
abspielen. Laufzeit 3 Minuten 29 Sekunden.

Man hätte Ausnahmen definieren sollen, finden Mokros und die betroffenen Therapeutinnen. Zum Beispiel für ältere Therapeuten das bisherige Delegationsmodell weiterführen. Darauf geht man beim BAG nicht konkret ein. Es wird wiederholt, dass alle Beteiligten klare Kriterien für die Zulassung gewünscht hätten.

Wie viele Therapeutinnen und Therapeuten schweizweit betroffen sind, kann man nicht beziffern. Denn die, die in Delegation gearbeitet haben, die Bedingungen aber nicht erfüllen, haben keinen Verband mehr. Für Leute wie Vatika Brigit Jacob bleiben Ärger und Enttäuschung: «Es wurde nicht wertgeschätzt, was ich und wir alle gegeben haben. Die Ungewissheit ist sehr schwer auszuhalten.»

Rendez-vous, 23.01.2023, 12:30 Uhr

Jederzeit top informiert!
Erhalten Sie alle News-Highlights direkt per Browser-Push und bleiben Sie immer auf dem Laufenden.
Schliessen

Jederzeit top informiert!

Erhalten Sie alle News-Highlights direkt per Browser-Push und bleiben Sie immer auf dem Laufenden. Mehr

Push-Benachrichtigungen sind kurze Hinweise auf Ihrem Bildschirm mit den wichtigsten Nachrichten - unabhängig davon, ob srf.ch gerade geöffnet ist oder nicht. Klicken Sie auf einen der Hinweise, so gelangen Sie zum entsprechenden Artikel. Sie können diese Mitteilungen jederzeit wieder deaktivieren. Weniger

Sie haben diesen Hinweis zur Aktivierung von Browser-Push-Mitteilungen bereits mehrfach ausgeblendet. Wollen Sie diesen Hinweis permanent ausblenden oder in einigen Wochen nochmals daran erinnert werden?

Meistgelesene Artikel