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Schweiz Rentenreform: Rechte Jungpolitiker wittern «faulen Kompromiss»

In Bundesbern hat das Ringen um die Reform der Altersvorsorge erst begonnen. Der Vorschlag, für die Erhöhung der Renten die Löhne stärker zu belasten, passt bürgerlichen Jungpolitikern gar nicht: Sie sprechen von einem faulen Kompromiss auf Kosten der nächsten Generation.

Eine ausgewogene Rentenreform hat Bundesrat Alain Berset (SP) versprochen. Ausgewogen nennt auch die ständerätliche Sozialkommission ihre Version des Gesetzespakets, die sie Anfang Woche präsentierte. Soll heissen: AHV (erste Säule) und Pensionskassen (zweite Säule) werden mit der Reform wieder solide finanziert – ohne Leistungsabbau und damit ohne Nachteil für die Pensionierten.

Ziel der Sozialkommission war es zudem, das umstrittene Mammutprojekt «Altersvorsorge 2020» politisch mehrheitsfähig zu machen. «Jede Seite musste eine Kröte schlucken», kommentierte FDP-Ständerätin und Kommissionsmitglied Christine Egerszegi den Ausgang der intensiven Beratungen.

Politischer Kuhhandel

Tatsächlich mussten Linke und Rechte Zugeständnisse machen:

  • So gibt es laut dem Plan künftig für das gleiche Alterskapital in der Pensionskasse weniger Rente bei der Pensionierung (weil der Umwandlungssatz von heute 6,8 auf 6 Prozent sinkt). Ein Schritt, den die Linke ihren Wählern wohl nur mit Mühe verkaufen kann.
  • Im Gegenzug versüsst die Kommission die Reform durch 70 Franken mehr AHV-Rente pro Monat. Das erlaubt es der SP zu sagen, man habe sich erfolgreiche für die Stärkung der ersten Säule der Sozialwerke eingesetzt. Die Besserstellung der Pensionäre kostet rund 1,4 Milliarden Franken jährlich.
  • Damit die AHV finanziell trotzdem nicht aus dem Lot gerät, schlägt die Kommission zusätzliche 0,3 Lohnprozente zugunsten der Rentner vor. Sie wären je hälftig von den Arbeitnehmenden und Arbeitgebern zu tragen. Sie belastet die aktive Bevölkerung und könnten zum Bremsschuh für die Wirtschaft werden, befürchten Kritiker.

Generationenvertrag arg strapaziert

Kein Wunder, regt sich Widerstand: Die Sozialkommission des Ständerats hat die Rechnung offenbar ohne die Jungen im Nationalrat gemacht. Vor allem junge bürgerliche Parlamentarier üben Kritik:

«Einem Ausbau der AHV kann ich unmöglich zustimmen», sagt der Berner FDP-Nationalrat Christian Wasserfallen. «Meine Generation muss es ausbaden, wenn jetzt keine nachhaltige Revision erfolgt.» Der demografische Trend sei klar, rechnet der 34-jährige Maschineningenieur vor: In den nächsten zehn Jahren gehen in der Schweiz rund eine Million Leute in Rente, aber nur etwa eine halbe Million Erwerbstätige rücken nach.

Meine Generation muss es ausbaden, wenn jetzt keine nachhaltige Revision erfolgt.
Autor: Christian Wasserfallen Nationalrat (FDP/BE)

Mit anderen Worten: Um die Renten der geburtenstarken Babyboomer-Generation zu zahlen, braucht es mehr Geld. Doch sind im Verhältnis dazu weniger Junge da, um die Zeche zu zahlen. Der Generationenvertrag wird strapaziert.

«Es ist offensichtlich», sagt SVP-Nationalrat Thomas Aeschi: «CVP und SP haben einen faulen Kompromiss ausgeheckt.» So gehe das nicht, findet der 36-Jährige aus dem Kanton Zug. «Ich kämpfe dafür, dass die AHV nicht auf dem Buckel der Jungen saniert wird.» Besonders stören Aeschi die zusätzlichen 0,3 Lohnprozente in der Variante der Kommission. Sie sind ein neues Element; der Bundesrat hat etwas anderes vorgeschlagen:

Lohnprozente weniger fair

Sozialminister Alain Berset will nämlich nicht die Lohnbeiträge für die AHV erhöhen, sondern die Mehrwertsteuer. Der Unterschied ist wichtig:

  • Lohnbeiträge für die AHV gehen einseitig zu Lasten der Erwerbstätigen, also der jungen Generation. Die Mehrwertsteuer dagegen müssen alle zahlen, auch die Alten, die nicht mehr für Lohn arbeiten.

Was auf den ersten Blick nach einer Spitzfindigkeit aussieht, hat grundsätzliche Bedeutung. Eine Lohnprozenterhöhung ist «weniger fair», erklärt Jérôme Cosandey, Vorsorgespezialist der wirtschaftsnahen Denkfabrik Avenir Suisse. Denn im Gegensatz zur Mehrwertsteuer belasten die Lohnprozente nur die aktive Bevölkerung, nicht aber die Rentner. «Wenn die Einnahmen der AHV schon erhöht werden müssen, dann über die Mehrwertsteuer», meint der Experte.

«Kein Problem» – sagt die junge Linke

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Schon manch ein Bundesrat biss sich die Zähne aus an einer AHV-Reform. Diese Politiker stehen hinter wegweisenden Veränderungen in der ersten Säule.

Diese Gerechtigkeitsdiskussion laufe in die falsche Richtung, kontert Cédric Wermuth, der seit 2011 für die SP Aargau im Nationalrat sitzt. Der 29-jährige Jungpolitiker ist überzeugt: «Die alte Generation, die nun in Rente geht, hat enorme Vorleistungen erbracht für unseren Wohlstand. Sie hat eine anständige Rente verdient.» Er habe deshalb keine Mühe, einen entsprechenden Teil seines Einkommens für die Renten der Alten herzugeben.

Wermuth findet es auch besser, zusätzliche Lohn- statt Mehrwertsteuer-Prozente einzusetzen für die AHV. Denn: «Die Mehrwertsteuer belastet die niedrigeren Einkommen stärker, ist also sozial weniger verträglich.» Für ihn ist dies das grössere Problem. Die zunehmende Belastung der Erwerbsarbeit durch Lohnbeiträge stört ihn im Vergleich dazu weit weniger.

In der Altersreform 2020 erkennt Wermuth keine ungerechte Begünstigung der Alten auf Kosten der Jungen – ganz im Gegensatz zu den bürgerlichen Jungpolitikern im Nationalrat. Nun geht die Vorlage im September zuerst in den Ständerat, danach ist nächstes Jahr die grosse Kammer dran. Das letzte Wort bekommt das Volk in einer Abstimmung.

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