SRF News: Seit 2012 ist Nationalrat Adrian Amstutz Fraktionschef der SVP. Nun tritt er zurück. Welches war sein grösster politischer Erfolg?
Géraldine Eicher: Es ist einfach, den grössten Erfolg als Fraktionschef zu nennen. Adrian Amstutz ist es gelungen, seine 74 Parlamentarier auf einer Linie zu halten. Und diese Linie ist deutlich rechts der Mitte verlaufen. Weniger einfach ist es allerdings, eine inhaltliche Bilanz zu ziehen. Denn die SVP als Partei hat zwar Erfolge an der Urne verbuchen können, etwa bei der Zuwanderungsinitiative. Ging es aber um die Umsetzung von Initiativen, hat das Parlament differenziertere Wege gesucht, als es sich die SVP eigentlich gewünscht hätte.
Und was war seine schwerwiegendste Niederlage?
Das ist schwer zu sagen. Amstutz hat viele Facetten. Was sicher auffällig ist bei ihm, ist seine stets klare Linie. Das war nicht immer zu seinem Vorteil.
Wie hat sich die Kooperation im bürgerlichen Lager unter ihm verändert?
Ganz offensichtlich hat Amstutz einen guten Draht zur FDP gefunden; spürbar kürzlich bei der Wahl von Ignazio Cassis in den Bundesrat. Da hat die SVP klar Position bezogen und der FDP zu einem raschen Resultat verholfen. Weniger gut wirkt nach aussen die Zusammenarbeit mit der CVP. Als Parlamentarier hat Amstutz dezidiert angriffige Positionen ergriffen. Als Fraktionschef trat er dann zwar etwas milder auf – man könnte sagen, mit harter Fairness. Dennoch war seine stets klare Linie nicht immer kompatibel mit der Linie der CVP, die in ihren Erwägungen und Entscheiden stärker auf Kompromisse ausgelegt ist.
Sollte Aeschi tatsächlich Fraktionschef werden, käme es zu einem Generationenwechsel in der SVP, aber nicht zu einem Wechsel in der Linie.
Am 17. November soll ein neuer Fraktionschef oder eine neue Fraktionschefin gewählt werden. Wer steht in der Poleposition?
Gute Leute hat sie zur Genüge, aber die SVP muss sich jetzt überlegen, welche Signale sie jetzt aussenden will. Für die Westschweiz, wo die SVP Probleme hatte und auch immer noch hat, wäre ein Romand ein positives Signal. Doch die Westschweizer SVP-Vertretung im Bundeshaus lässt keine grosse Auswahl zu. Viel wahrscheinlicher ist, dass ein Vertreter der Deutschschweiz Fraktionschef wird. Da hat auch schon jemand den Kopf hinausgestreckt: Nationalrat Thomas Aeschi, Präsident der Zuger SVP. Sollte der noch keine 40 Jahre alte Aeschi tatsächlich Fraktionschef werden, käme es zu einem Generationenwechsel in der SVP, aber nicht zu einem Wechsel in der Linie. Denn die Linien von Aeschi und Amstutz sind vergleichbar. Amstutz gilt zwar wegen seiner Herkunft als typischer Berner Oberländer «Grind», aber er ist auch Unternehmer und damit vergleichbar mit Aeschi, der in der einflussreichen Wirtschaftskommission sitzt.
Das Gespräch führte Nicoletta Cimmino.