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Satanic Panic Verschwörungserzählung betrifft deutlich mehr Patientinnen

21 statt 12 Fälle: Das Ausmass der Verschwörungserzählung um satanistische Rituale ist im Kanton Bern grösser als bislang bekannt.

In der Privatklinik Meiringen wurden 9 Patientinnen behandelt, weil sie angeblich Opfer von Tätern wurden, die sie in Ritualen missbraucht und ihre Gedanken programmiert haben sollen. Das zeigen Recherchen von SRF Investigativ.

Damit sind deutlich mehr Patientinnen von der Verschwörungserzählung an Berner Psychiatrien betroffen, als bisher bekannt war. Denn publik waren bisher 12 Fälle, die sich am Psychiatriezentrum Münsingen ereignet hatten.

Wir waren vorgewarnt, aber dennoch überrascht.
Autor: Gundekar Giebel Sprecher der bernischen Gesundheitsdirektion

In Meiringen wurden die Patientendossiers der vergangenen 10 Jahre auf Begriffe untersucht, die im Zusammenhang mit der Verschwörungserzählung stehen. Anhängerinnen und Anhänger der Verschwörung sind davon überzeugt, dass es Täter gibt, die die Gedanken von Frauen programmieren und sie fernsteuern können. Also Opfer sind von satanistischen Ritualen oder von Tätern mit Spezialwissen zu Gedankenprogrammierung.

Eine Therapeutin macht sich Notizen in einem Heft, im Hintergrund ist eine Frau auf einem Sofa zu sehen.
Legende: An der Privatklinik Meiringen wurden 9 Patientinnen wegen der Verschwörungserzählung rund um Gedankenkontrolle behandelt. Imago / Wirestock

In Auftrag gegeben hat die Untersuchung die bernische Gesundheitsdirektion. Man habe konkrete Hinweise auf die Verbreitung der Verschwörungserzählung an der psychiatrischen Klinik gehabt, heisst es auf Anfrage. «Wir waren also vorgewarnt, aber dennoch etwas überrascht», sagt Mediensprecher Gundekar Giebel. Der Kanton Bern habe reagiert: «Wir verlangen von den Kliniken neue Überwachungsprozesse.» Es gehe darum, sicherzustellen, dass sich die Verschwörungserzählung nicht mehr in Kliniken verbreiten könne, so Giebel weiter.

Was ist «Satanic Panic»?

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Unter dem Begriff «Satanic Panic» tauchte der Glaube an satanistische Gewaltrituale bereits in den 1980er-Jahren in den USA auf. Beweise für solche Zirkel und Rituale konnten bislang nicht erbracht werden. Auch in der Schweiz liegen weder Beweise noch Urteile gegen angebliche Täter vor.

Die  SRF-Sendung «rec.»  deckte im Dezember 2021 auf, dass sich die Verschwörungserzählung in der Schweiz verbreitet hatte.

Eine weitere Ausprägung der Verschwörungserzählung ist die sogenannte «Mind Control»-Theorie. Sie hat sich vor allem unter Psychiatern und Psychologinnen verbreitet. Sie sind davon überzeugt, dass es Täter gibt, die über Spezialwissen verfügen und die Gedanken von Frauen programmieren und sie fernsteuern können. Auch dafür gibt es keine Belege. Dennoch wurden Patientinnen in mehreren psychiatrischen Kliniken in der Schweiz wegen angeblicher Gedankenkontrolle durch angebliche Täter behandelt.

Nachdem das  SRF Regionaljournal Bern Freiburg Wallis  die Vorgänge am Psychiatriezentrum Münsingen aufgedeckt hatte, veranlasste der Kanton Bern eine Untersuchung.

Bei der Privatklinik Meiringen heisst es, man bedauere, dass die Verschwörungserzählung Fuss fassen konnte. «Jeder Patient, der nicht aufgrund der wissenschaftlichen Leitlinien behandelt wurde, ist einer zu viel», sagt Christian Mikutta. Er leitete als stellvertretender ärztlicher Direktor die Untersuchung in der Privatklinik Meiringen.

Es handle sich bei den betroffenen 9 Patientinnen um Einzelfälle, die aber nie aufgrund der Verschwörungserzählung hätten behandelt werden dürfen. «Bei vier der betroffenen Patienten kam es auch zu einem freiwilligen Schutzaufenthalt in der Klinik.» Das heisst, dass sich die Patientinnen aus Furcht vor den angeblichen Tätern mehrere Wochen in der Klinik aufhielten.

Untersuchung auch an der grössten Psychiatrie im Kanton Bern

«Es handelte sich um eine einzelne Ärztin, die mit diesen Theorien Patienten behandelt hat», so Mikutta. Weiter sei ein Supervisor in diese Behandlungen involviert gewesen. Mit beiden Personen arbeite man nicht mehr zusammen.

Die Privatklinik Meiringen habe zudem weitere Massnahmen ergriffen, damit sich die Verschwörungserzählung nicht mehr ausbreiten könne: «Wir haben beispielsweise innerhalb der Klinik Weiterbildungen gemacht und die Unwissenschaftlichkeit der Verschwörungserzählung aufgezeigt», sagt Christian Mikutta. Weiter habe man bei der Diagnostik Verbesserungen eingeführt und die Therapien neu ausgerichtet.

Eine Therapeutin macht sich Notizen in einem Heft, im Hintergrund ist eine Frau auf einem Sofa zu sehen.
Legende: Laut Angaben der Privatklinik Meiringen gingen alle Fälle, die im Zusammenhang mit der Verschwörungserzählung stehen, auf eine Ärztin und einen Supervisor zurück. Imago / Zoonar

Die bernische Gesundheitsdirektion gelangte auch an die grösste Psychiatrie im Kanton, die Universitären Psychiatrischen Dienste UPD. Auch sie musste die Patientendossiers der vergangenen zehn Jahre auf die Verschwörungserzählung untersuchen. Laut Gesundheitsdirektion wurden aber keine Fälle entdeckt.

Und die UPD teilt auf Anfrage schriftlich mit, man verfüge unter anderem über ein kontinuierliches Qualitätsmanagement. «Durch diese interne Transparenz wurden die wenigen Fälle, die mit einem entsprechenden Narrativ zugewiesen wurden, jeweils erkannt und geklärt.»

Abgrenzung zu tatsächlichen Gewaltopfern

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Nicht umstritten ist, dass Menschen in der Schweiz Opfer von schwerstem sexuellen Missbrauch werden und organisierte Tätergruppen Menschenhandel und Zwangsprostitution betreiben. Die Opfer litten ein Leben lang unter den Folgen, seien schwer traumatisiert, benötigten Hilfe, sagt der forensische Psychiater Frank Urbaniok.

Davon müsse man die Verschwörungserzählung klar abgrenzen, sagt Urbaniok. Er beschäftigt sich seit längerer Zeit mit der Verbreitung der Verschwörungserzählung rund um satanistisch-rituelle Gewalt und Gedankenprogrammierung.

Die tatsächlichen Gewaltopfer würden nicht aus einer Ideologie heraus missbraucht, so Urbaniok. Bei der Verschwörungserzählung sei jedoch genau dies eines der Kernelemente – dass angeblich satanistische Täter Frauen in Ritualen missbrauchten, um ihre Gedanken zu programmieren. Weiter gebe es auch keine Beweise dafür, dass Täter über Spezialwissen verfügten und die Gedanken von Frauen programmieren könnten, um sie fernzusteuern.

Die beiden Untersuchungen an der UPD und der Privatklinik Meiringen haben eine Vorgeschichte: Im Frühling 2022 deckte das SRF Regionaljournal Bern Freiburg Wallis auf, dass sich die Verschwörungserzählung am Psychiatriezentrum Münsingen verbreitet hatte. Die bernische Gesundheitsdirektion setzte daraufhin einen Experten ein, der 12 Fälle von betroffenen Patientinnen fand und verschiedene Massnahmen empfahl.

In einer ersten Version des Artikels war von 14 Patientinnen die Rede. Diese Zahl hatte die Privatklinik Meiringen gegenüber SRF bestätigt. Nach der Publikation überprüfte die Klinik die Zahlen nochmals und korrigierte sie nach unten.

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SRF 1, Regionaljournal BE FR VS, 21.06.2023, 12.03 Uhr

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