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Satanic Panic Glaube an Teufel: Verschwörung verbreitet sich im Berner Oberland

Die Verschwörungserzählung um satanistische Täter und ferngesteuerte Frauen hält Einzug in religiöse Kreise.

Dunkle Mächte, satanistische Täter und Teufelsbräute: Die Verschwörungserzählung «Satanic Panic» hat sich in der Schweiz ausgebreitet.

Sie hat sich auch in tief religiösen Kreisen festgesetzt. Das zeigen Recherchen von SRF Investigativ. Es gibt evangelikale Christen, die an geheime Zirkel glauben. Diese sollen Frauen sexuell missbrauchen, um dadurch ihre Gedanken zu programmieren und sie fernzusteuern. Für die Existenz solcher Vorgänge gibt es keine Beweise.

Auf dem Foto sitzen mehrere Personen an einem Tisch, halten sich an den Händen und beten.
Legende: Mit «Gebeten und Gott» kämpft ein evangelikaler Seelsorger in der Schweiz gegen angebliche satanistische Täter an. iStock/Farknot_Architect

Ein Hotspot scheint das Berner Oberland zu sein. Hier arbeiten und leben mehrere Seelsorger, Therapeutinnen und Politiker, die an die Verschwörungserzählung glauben und sie weiterverbreiten.

Manchmal übernehme ich beinahe die Arbeit eines Sozialarbeiters.
Autor: Paul Veraguth Seelsorger

Ein Pfarrer war bereit, gegenüber SRF Auskunft zu geben. 30 Jahre lang war Paul Veraguth Pfarrer an der reformierten Kirche Wattenwil. Seit einigen Jahren arbeitet er als Seelsorger und betreut auch angebliche Opfer von satanistischen Tätern. «Ich arbeite mit Gebeten und Gott», umschreibt er seine Art der Betreuung.

Was ist «Satanic Panic»?

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Unter dem Begriff «Satanic Panic» tauchte der Glaube an satanistische Gewaltrituale bereits in den 1980er-Jahren in den USA auf. Beweise für solche Zirkel und Rituale konnten bislang nicht erbracht werden. Auch in der Schweiz liegen weder Beweise noch Urteile gegen angebliche Täter vor.

Die SRF-Sendung «rec.» deckte im Dezember 2021 auf, dass sich die Verschwörungserzählung in der Schweiz verbreitet hatte.

Unter anderem wurden Patientinnen in mehreren psychiatrischen Kliniken wegen angeblicher Gedankenkontrolle behandelt – Psychiater und Psychologinnen waren der Verschwörungserzählung aufgesessen. Nachdem das SRF Regionaljournal Bern Freiburg Wallis die Vorgänge am Psychiatriezentrum Münsingen aufgedeckt hatte, veranlasste der Kanton Bern eine Untersuchung.

Er verstehe sich als eine Art Sozialarbeiter, der die angeblichen Opfer im Alltag begleite und ihnen dabei helfe, von den Tätern loszukommen.

Eine Männerhand ein Kruzifix in die Kamera.
Legende: Im Berner Oberland sind mehrere Personen als Seelsorger, Therapeutinnen oder Politiker tätig, die an die Verschwörungserzählung glauben. Das zeigen Recherchen von SRF Investigativ. Shutterstock / Oleg Golovnev

Der Pfarrer erzählt, er habe bisher ein Dutzend Frauen in Obhut genommen. Menschen, die so gläubig sind wie Paul Veraguth, sind davon überzeugt, dass die Welt in Gut und Böse aufgeteilt ist.

Veraguth glaubt daran, dass Menschen Satan dienen, indem sie Frauen in Ritualen missbrauchen und ihre Gedanken programmieren, sie zu «Teufelsbräuten» machen.

Namensänderung wegen Verschwörungserzählung

Beim Pfarrer treffen sich regelmässig angebliche Opfer in einer Selbsthilfegruppe. Seine Beziehungen reichen bis nach Winterthur. Dort arbeitet er mit dem Verein «Cara» zusammen. Dieser schult unter anderem Fachpersonen zum Thema rituelle Gewalt. Auf Anfrage von SRF heisst es, man beantworte derzeit keine Medienanfragen.

Die Seelsorge von Paul Veraguth hat konkrete Folgen: So hat er einer Frau dabei geholfen, ihren Namen zu ändern – weil sie angeblich von satanistischen Tätern verfolgt wurde. Möglich machte dies ein psychiatrisches Gutachten, auf dessen Grundlage die Behörden die Namensänderung bewilligten.

Religiöse Überzeugungen vermischen sich mit Einschätzungen von medizinischen Fachpersonen und der Arbeit von Behörden.

Pfarrer weist Vorwürfe zurück

Fachleute sehen das kritisch: Laut dem forensischen Psychiater Thomas Knecht hilft diese Art der Betreuung wenig. «Es kann wohltuend sein, wenn man sich aus der Eigenverantwortung ein Stück weit entlassen fühlt. Aber es ist nicht das Gleiche wie eine Problemlösung».

Frau, die links an der Wand lehnt und ihre Hände vors Gesicht schlägt
Legende: Die angeblichen Opfer sind davon überzeugt, dass sie satanistischen Tätern ausgeliefert sind, die sie sexuell missbrauchen und ihre Gedanken fernsteuern können. Shutterstock/AimPix

Die Verschwörungserzählung diene als eine Art Denkschablone, die bei der Erklärung helfe, warum jemand psychisch leide.

Es gibt keine Täter mit Spezialwissen, die Gedanken kontrollieren können.
Autor: Thomas Knecht Forensischer Psychiater

Die meisten angeblichen Opfer hätten wohl tatsächlich sexuelle Gewalt erlebt – aber nicht durch Täter, die mit Spezialwissen ihre Gedanken programmieren könnten. «Dafür gibt es keine Beweise. Mir ist in 40 Jahren Tätigkeit niemand begegnet, der über solche Fähigkeiten verfügt», so Knecht.

Deshalb habe die Verschwörungserzählung bei der Betreuung von psychisch kranken Menschen nichts verloren: «Eine Therapie sollte Patientinnen zu Selbstbestimmung hinführen.»

Paul Veraguth weist jeglichen Vorwurf zurück, den Frauen durch die Seelsorge zu schaden. Der Frage, ob er ein Verschwörungsanhänger sei, weicht er aus. Für ihn sei es eine Frage der Weltanschauung, ob man an «finstere Mächte» und deren Wirken glaube oder nicht.

Abgrenzung zu tatsächlichen Gewaltopfern

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Nicht umstritten ist, dass Menschen in der Schweiz Opfer von schwerstem sexuellen Missbrauch werden und organisierte Tätergruppen Menschenhandel und Zwangsprostitution betreiben. Die Opfer litten ein Leben lang unter den Folgen, seien schwer traumatisiert, benötigten Hilfe, sagt der forensische Psychiater Frank Urbaniok. Er beschäftigt sich seit längerer Zeit mit der Verbreitung der Verschwörungserzählung rund um satanistisch-rituelle Gewalt und Gedankenprogrammierung. Die tatsächlichen Gewaltopfer würden nicht aus einer Ideologie heraus missbraucht, so Urbaniok. Bei der Verschwörungserzählung sei jedoch genau dies eines der Kernelemente – dass angeblich satanistische Täter Frauen in Ritualen missbrauchten, um ihre Gedanken zu programmieren.

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SRF Regionaljournal Bern Freiburg Wallis, 14.06.2023, 06:31 Uhr

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