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Schmerzmittel-Krise Opioid-Bedarf steigt auch in der Schweiz

Starke Schmerzmittel wie Oxycontin mit dem Wirkstoff Oxycodon wurden in den USA über Jahre massiv beworben und zu sorglos abgegeben. Hunderttausende rutschten in die Sucht, griffen zu günstigeren oder noch stärkeren Mitteln wie Heroin, starben an Überdosen. Profitiert haben unter anderem die US-Pharmafirma Purdue und die Besitzerfamilie Sackler, die ein Milliarden-Imperium aufgebaut hat.

Purdue hat mit Oxycontin den US-Markt Mitte der 1990er Jahre geschwemmt. Nach dem Willen der US-Generalstaatsanwältin Letitia James soll die Besitzerfamilie für die Epidemie zur Rechenschaft gezogen werden.

Die Sacklers sollten «für Tod und Zerstörung bezahlen, die sie dem amerikanischen Volk angetan haben». Mittlerweile hat Purdue Insolvenz beantragt und ringt in den USA um einen Milliardenvergleich mit hunderten Klägern.

Die Sackler-Familie steht im Zuge der Opioid-Krise stark in der Kritik – auch in der Schweiz.
Legende: Die Sackler-Familie steht im Zuge der Opioid-Krise stark in der Kritik – auch in der Schweiz. Keystone

Der Fall hat Verbindungen in die Schweiz. Generalstaatsanwältin James wirft Sackler vor, versucht zu haben, Geld in die Schweiz zu retten. «Mein Büro hat Zahlungen von rund einer Milliarde Dollar festgestellt, auch auf Schweizer Bankkonten.»

Die Sacklers sind bekannt als Förderer von Kunst und Kultur. Aufgrund der Opioid-Krise sind sie jedoch international in Verruf geraten. Weltweit haben sich Kultur-Institutionen von der Familie abgewendet.

Mein Büro hat Zahlungen von rund einer Milliarde Dollar festgestellt, auch auf Schweizer Bankkonten.
Autor: Letitia James New Yorker Generalstaatsanwältin

Die in Basel registrierte Sackler-Stiftung sponsort auch Kultur-Events in der Schweiz. Der Direktor des Kunstmuseums Basel, Josef Helfenstein: «Heute würde man das anders entscheiden und auch anders damit umgehen.»

Das Kunstmuseum Basel gehe künftig bei Sponsoren sensibler vor. «Wir haben eine Arbeitsgruppe gegründet und überlegen uns, ethische Richtlinien schriftlich festzuhalten.»

Keinen Handlungsbedarf sieht das Gstaad Menuhin Festival. Es will an der Kooperation mit der Sackler-Stiftung festhalten, wie Verwaltungsrats-Präsident Aldo Kropf gegenüber der «Rundschau» sagt.

Er sieht keinen direkten Zusammenhang zwischen der US-Krise und dem Sponsoring der Sacklers in der Schweiz. Aber: «Man wird das allenfalls im Verwaltungsrat diskutieren.» Und: Oxycontin sei ein «sehr gutes Medikament, wenn man es so anwendet, wie es gedacht ist». Purdue und die Familie Sackler wollten auf Anfrage der «Rundschau» nicht Stellung nehmen.

Oxycodon-Verbrauch in der Schweiz steigt

Allein zwischen 2011 und 2018 lieferten die Pharmafirmen laut der Zulassungsbehörde Swissmedic 78 Prozent mehr Oxycodon an Spitäler, Apotheken und Hausärzte.

In der Schweiz fällt Oxycodon unter das Betäubungsmittelgesetz. Hierzulande geben Apotheken und Arztpraxen heute viel mehr Präparate mit dem Wirkstoff direkt an die Patienten ab als vor zehn Jahren. Vor allem Kombi-Präparate sind immer beliebter. Medikamente, die nebst Oxycodon noch andere Wirkstoffe enthalten.

«Gefährliche Substanz»

Neurochirurg Martin Sailer ist alarmiert: «Oxycodon aktiviert wie Heroin das Belohnungssystem. Der Patient will davon immer mehr – bis es lebensgefährlich wird.» Er könne Oxycodon nicht mehr guten Gewissens verordnen. «Die Substanz ist gefährlich, ob in den USA oder in der Schweiz – das Grundproblem bleibt.»

Stephan Krähenbühl, Präsident der Swissmedic-Experten-Kommission, widerspricht. In der Schweiz seien die Fachleute gut informiert und trügen eine grosse Verantwortung. «Oxycodon ist zudem nicht gefährlicher als andere Opioide. Es hängt davon ab, wie man damit umgeht.»

Doch auch Krähenbühl sagt, er verordne das Medikament nur, wenn es nicht anders gehe. Etwa bei schweren Tumorerkrankungen oder kurzzeitig nach Operationen.

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