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Schweizer Kriminalgeschichte Johann Stoffel: Der Bündner Aus- und Einbrecherkönig

Johann Stoffel war einst ein berühmt-berüchtigter Dieb. Auch vor einem Einbruch ins Gefängnis schreckte er nicht zurück.

Notorischer Dieb, mehrfacher Ausbrecher und später diplomierter Schneidermeister: Johann Stoffel beschäftigte in den 1920er- bis 1930er-Jahren die Schweizer Justiz fast gleichermassen wie die Medien. Der 1899 geborene Valser machte mit seinen Einbrüchen und zahlreichen Gefängnisausbrüchen von sich reden.

Nun hat der Historiker und ehemalige Direktor des Rhätischen Museums, Jürg Simonett, ein Buch über Johann Stoffel geschrieben. Er sei zufällig auf die Geschichte des einst bekannten Diebs aufmerksam geworden, sagt Simonett. Auf über zweihundert Seiten beschreibt der Historiker die Taten Stoffels, aber auch den Werdegang des Kleinkriminellen.

Stoff für wilde Geschichten

Die ersten Diebstähle beging Stoffel in Deutschland. Sein Vater trat 1915 in Köln eine Stelle an. 1918 zogen Mutter und Sohn nach Zürich. In der Schweiz stahl Stoffel weiter, da er keine Arbeit fand. Während rund zwei Jahrzehnten wechselte er zwischen Zuchthaus, Arbeitshaus, Gefängnis und neuen Diebstählen. Dabei stahl er vor allem in den Kantonen Graubünden, Zürich, St. Gallen und Glarus.

Über die Jahre entstand ein Kult um die Person Johann Stoffel. In der Bevölkerung wurde über die Taten des Bündners gesprochen: «In bunter Folge wechseln sich Tatsächliches, Wahres, Halbwahres, Gerüchte (...) und offenkundig Falsches ab», schreibt Simonett in seinem Buch. Zudem hätten die Zeitungen regelmässig «neue und erheiternde Episoden» geliefert.

Geld und Revolver aus Gefängnis gestohlen

Zu den populärsten Taten Stoffels dürfte der Einbruch in das Churer Gefängnis «Sennhof» zählen. In einer Sommernacht 1929 kletterte Stoffel über eine Dachrinne durch ein offenes Bürofenster ins Gefängnis. Dort stahl er aus einem Schreibtisch rund 400 Franken und einen Revolver – und machte sich unbemerkt aus dem Staub.

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Legende: Anzeige im Schweizerischen Polizei-Anzeiger vom August 1929: Kurz nach dem Einbruch in das Churer Gefängnis wurde Johann Stoffel eines weiteren Diebstahls beschuldigt. ZVG Verlag Hier und Jetzt

Kurze Zeit später wurde Stoffel verhaftet und in jenes Gefängnis gebracht, in welches er selbst zuvor eingebrochen war. Nur einen Tag darauf gelang ihm aber bereits der Ausbruch. Am selben Tag wurde er gestellt und wieder hinter Gitter gebracht. Nur wenige Monate später brach er erneut aus.

Nie Gewalt gegen Personen

Die Art des Kleinkriminellen habe ihn fasziniert, sagt Jürg Simonett: «Das Hin und Her: rein ins Gefängnis, raus aus dem Gefängnis.» In dieser Faszination sieht Simonett auch einen Grund, warum die Medien Johann Stoffel zu Lebzeiten viel Aufmerksamkeit geschenkt hatten. «Die meisten fanden es amüsant, wie die Polizei zum Narren gehalten wurde.»

Die Leute hatten den Eindruck, dass es sich um so etwas wie einen edlen Räuber handelt.
Autor: Jürg Simonett Historiker und Autor

In einer Zeitung habe es eine Rubrik mit dem Titel «Neues von Stoffel» gegeben und 1930 schaffte es der «Ein- und Ausbrecherkönig» sogar auf die Churer Fasnachtsplakette. «Die Leute hatten den Eindruck, dass es sich um so etwas wie einen edlen Räuber handelt. Das traf natürlich überhaupt nicht zu», sagt Simonett. Stoffel war jedoch dafür bekannt, dass er gegenüber Personen nie gewalttätig wurde.

Das zweite Leben von Johann Stoffel

Ruhiger wurde es um Johann Stoffel erst, als dieser während seines letzten Gefängnisaufenthaltes eine Schneiderlehre absolvierte. Nach seiner Entlassung, deren Datum nicht bekannt ist, wurde Stoffel in Schaffhausen sesshaft. Dort heiratete er 1937 und wurde Vater einer Tochter.

Stoffel betrieb eine Schneiderei, in der er später auch Polizei- und Offiziersuniformen fertigte. Im April 1970 starb der Schneidermeister Johann Stoffel, der einstige Ein- und Ausbrecherkönig aus Graubünden.

Regionaljournal Ostschweiz, 7.10.2020, 17:30 Uhr ; 

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