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Der Sandoz-Grossbrand 1986
Aus News-Clip vom 27.10.2016.
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Schweiz Schweizerhalle-Brand vor 30 Jahren – eine Nacht des Schreckens

Am 1. November 1986 wird die Basler Bevölkerung jäh aus dem Schlaf gerissen, Sirenen heulen in der Stadt. 185 Tage nach Tschernobyl beschert ein Grossbrand beim Chemie-Konzern Sandoz der Schweiz ihre eigene Industrie-Katastrophe. Die Bevölkerung hat Glück. Die Fische im Rhein weniger.

1350 Tonnen hochgiftige Chemikalien sind in der Nacht vom 1. November 1986 in Schweizerhalle bei Basel in Flammen aufgegangen. Umgerechnet ein Güterzug von 200 Metern Länge.

Für die Bevölkerung habe zu keinem Zeitpunkt Gefahr bestanden, gab man in Basel bereits am nächsten Morgen Entwarnung. Die Giftwolke hätte sich rasch Richtung Autobahn verzogen.

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Legende: keystone

25 Jahre Schweizerhalle. Eine Reportage der Sendung «DOK»

Für die Fauna im Rhein ging die Katastrophe weniger glimpflich aus. Hundertausende Liter verseuchtes Löschwasser gelangten in den Rhein und lösten ein gigantisches Fischsterben aus – bis weit in den deutschen Rheinraum hinein. Eine Chronologie:

1. November 1986

00:19: Passanten melden den Schwelbrand in der Halle 956 der Firma Sandoz AG.

00:44: Das Polizeikommando Liestal informiert die Einsatzzentrale. Die Feuerwehr erhält den Auftrag: «Retten, Halten, Löschen».

00:50: Der Moderator von Radio «Basilik» verliest einen ersten Hinweis für die nächtlichen Zuhörer.

02:00: Die Zubringer-Autobahn wird gesperrt.

Hunderte verendeter Aale treiben an den Ufern des Rheins.
Legende: Das Fischsterben nach der Schweizerhalle-Katastrophe nahm fast biblische Ausmasse an. Keystone

03:43: Die Bürger Muttenz' werden durch das Geheul der Sirenen aus dem Schlaf gerissen – zum ersten Mal wieder seit dem Ende des 2. Weltkriegs. Sie wissen mit dem Alarm allerdings nicht viel anzufangen. In Grossbasel muss auf Sirenen verzichtet werden – sie sind gerade in Revision. Die Polizei patrouilliert deshalb...

04:00: mit Polizeiautos und Megaphonen durch die Quartiere. Die Anweisung: «Fenster schliessen! Zu Hause bleiben! Radio hören!». In der ganzen Stadt ist ein übler Geruch zu bemerken.

05:00: Das Kantonale Zeughaus wird vom Krisenstab Baselstadt angewiesen, Gasmasken bereitzustellen.

06:05: Der Brand ist gelöscht. Bis zum Schluss haben 160 Feuerwehrleute aus allen umliegenden Gemeinden bisweilen unter Lebensgefahr einen der grössten Brände der Schweiz bekämpft.

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Sandoz-Brand – und was sonst?
Aus News-Clip vom 27.10.2016.
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06:55: Der Krisenstab hebt die verhängte Ausgangssperre auf und weist den öffentlichen Verkehr (Tram und Busse) an, den Betrieb wieder aufzunehmen.

07:00: Erziehungsdirektor Hansruedi Striebel schickt die Kinder nach widersprüchlichen Aussagen zur Schule. Die Verwirrung unter der Bevölkerung ist gross

08:15: Sandoz-Vertreter geben an einer Pressekonferenz bekannt, man habe alles unter Kontrolle, für Mensch und Tier (mit Ausnahme von ein paar wenigen Äschen) seien nicht zu Schaden gekommen.

Die nachfolgenden Untersuchungen des Grossbrandes zeichneten freilich ein etwas anderes Bild. Heute steht fest:

  • In der vollständig zerstörten Halle verbrannten 1350 Tonnen Chemikalien. Vornehmlich Agrarchemikalien, Hilfsstoffe, Zwischenprodukte, sowie Quecksilberverbindungen.
  • Es mussten in der Folge 2700 t halbverbranntes Material entsorgt werden, zudem waren ca. 9 t Pestizide und 130 kg organische Quecksilberverbindungen am Brandort versickert
  • Untersuchungen des Wissenschaftlichen Dienstes der Stadtpolizei Zürich ein Jahr später ergaben, dass der Brand vermutlich durch das Hantieren mit einer Ladung «Berlinblau» ausgelöst wurde. Aus diesem Schwelbrand entstand Stunden später dann der folgenschwere Vollbrand.
  • Die Zürich Versicherung hatte die Firma Sandoz noch ein halbes Jahr vorher auf die unzureichenden Sicherheitsvorkehrungen in der Halle 956 hingewiesen. Vergeblich.
  • Bei der Brandbekämpfung gelangten 15 Millionen Liter Löschwasser, vermengt mit 30-40 Tonnen toxischen Stoffen, ungehindert in den Rhein und in den Boden um das Werk.
  • Die rote Färbung des Rheins entpuppte sich als ungiftige Markierungsfarbe.
  • Im Laufe der folgenden 30 Tage starben im Rhein um Basel die gesamte Äschen- und Aalpopulation. Auch Zander und Hechte waren stark betroffen. Selbst vor der Vogelwelt machte die Giftbrühe nicht Halt: Noch Monate später starben bei Basel zahlreiche Stockenten sowie Seeschwalben in den Rheinauen.
  • Die rheinanliegenden Wasserwerke mussten als Vorsichtsmassnahme ihre Produktion während 18 Tagen stilllegen; gesamthaft waren ca. 20 Millionen Menschen von den Beeinträchtigungen der Brandkatastrophe betroffen.
  • Das Grundwasser blieb nach heutigem Wissen verschont.
  • Zur Bewältigung der Katastrophe mussten schätzungsweise insgesamt 141 Millionen Franken aufgewendet werden. (Bodensanierung 60 Mio. / Schadenersatz 42 Mio. / Lagerhalle 15 Mio.)
  • 14 Jahre danach prüften Schweizer Behörden Berichte, wonach der Brand ein Sabotageakt des Staatssicherheits-Dienstes der DDR (Stasi) gewesen war. Die Theorie konnte nicht bestätigt werden.

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