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Seltene Krankheiten Neue Zentren geben Betroffenen ohne Diagnose Hoffnung

In der Schweiz gibt es seit Kurzem sechs Zentren für seltene Krankheiten. Ziel ist es, die Diagnosen zu beschleunigen.

Treppensteigen ist für Heinz Bühlmann eine Qual. Seine Beine sind zu schwach, er muss sich mit beiden Händen die Treppe hochziehen. Bühlmann leidet an GM2 Gangliosidose Sandhoffvariante, einer seltenen Krankheit, die die Beinmuskulatur immer mehr schwächt. Früher oder später wird er auf den Rollstuhl angewiesen sein.

Erste Symptome zeigten sich im Jahr 2007, als er am Ende eines Tauchgangs Mühe hatte, an Land zu laufen. Bis Heinz Bühlmann den Namen seiner Krankheit kannte, vergingen mehrere Jahre. Erst 2014 und zahlreiche Arztbesuche später erhielt er die Diagnose.

Verstärkte Zusammenarbeit der Ärzte

Heinz Bühlmann ist kein Einzelfall: Betroffene von seltenen Krankheiten werden von Spezialist zu Spezialist geschickt, eine Diagnose dauert Jahre oder gar Jahrzehnte. Das soll sich nun ändern.

In sechs Schweizer Städten haben verschiedene Spitäler Zentren für seltene Krankheiten aufgebaut, die nun von der Kosek, der nationalen Koordinationsstelle für seltene Krankheiten, offiziell anerkannt wurden. Das Ziel der neuen Zentren: Den Betroffenen eine schnellere eine Diagnose ermöglichen.

Schweizer Zentren für seltene Krankheiten

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In folgenden Städten gibt es ein Zentrum für seltene Krankheiten, das von der Kosek anerkannt wurde:

  • Bern: Zentrum für seltene Krankheiten Inselspital, Universitätsspital Bern
  • Basel: Universitätszentrum für seltene Krankheiten Basel, ein gemeinsames Angebot des Universitätsspitals Basel und des Universitäts-Kinderspitals beider Basel
  • Zürich: Zentrum für seltene Krankheiten Zürich, ein gemeinsames Angebot des Universitätsspitals Zürich, des Universitäts-Kinderspitals Zürich, der Universitätsklinik Balgrist und des Institutes für Medizinische Genetik der Universität Zürich
  • St. Gallen: Ostschweizer Zentrum für seltene Krankheiten, ein gemeinsames Angebot des Kantonsspitals St.Gallen und des Ostschweizer Kinderspitals St. Gallen
  • Lausanne: Centre Maladies Rares du Centre hospitalier universitaire vaudois
  • Genf: Centre Maladies Rares des Hôpitaux Universitaires de Genèves

Dazu arbeiten verschiedene Spezialisten zusammen. «Der Patient wird nicht mehr von Spezialist A zu Spezialist B geschickt, sondern die Ärzte sind miteinander im Austausch und überlegen gemeinsam, in welche Richtung eine Diagnose gehen könnte», sagt Stefan Bilz, Projektleiter des Ostschweizer Zentrums für seltene Krankheiten in St. Gallen.

Eine Odyssee, bei der Patientinnen und Patienten von Spezialist zu Spezialist geschickt werden, soll in Zukunft verhindert werden.

Die Spitäler finanzieren die Zentren aus den bestehenden Budgets, zusätzliche finanzielle Mittel gibt es vorerst keine.

Positive Erfahrungen aus dem Ausland

Bei der Dachorganisation der Patientengesellschaften für seltene Krankheiten Pro Raris ist die Hoffnung gross. Vorstandsmitglied Martin Knoblauch sagt, dass sich in Ländern, wo es bereits solche Zentren gibt, die Zeit bis zur Diagnose verkürzt habe.

Für Patienten ist eine Diagnose wichtig, da sie dann schneller behandelt werden können oder finanzielle Unterstützung erhalten. Heinz Bühlmann hat nach seiner Diagnose eine halbe IV-Rente zugesprochen erhalten.

Seine Krankheit ist unheilbar. Trotzdem will Bühlmann nicht mit dem Schicksal hadern. «Was bringt es mir, zu reklamieren? Ich muss mit der Krankheit leben», sagt Heinz Bühlmann. Eine positive Einstellung ist in seinem Fall die beste, aber leider auch die einzige Therapie.

10vor10, 07.08.2020, 21:50 Uhr

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