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SVP-Kandidat zieht sich zurück Hickhack um Bundesrichterwahl im Parlament

Für gewöhnlich ist die Besetzung der vakanten Posten Politroutine. Diesmal ging es hoch her: Die SVP fühlt sich betrogen.

Wenn National- und Ständerat zur Vereinigten Bundesversammlung zusammenkommen, um Richterstellen zu besetzen, ist das meist eine unspektakuläre Angelegenheit. Die beiden Räte sind sich eigentlich einig, dass jede Partei gemäss ihrer Wählerstärke Anspruch auf Sitze in den Gerichten hat. Je grösser der Wähleranteil, umso mehr Richtersitze – so lautet die Regel des sogenannten Parteienproporzes.

Am Bundesgericht ist die SVP gemäss dieser Formel derzeit untervertreten, wie Fraktionspräsident Thomas Aeschi vor der Vereinigten Bundesversammlung festgehalten hat. Rein rechnerisch hätte sie Anspruch auf elfeinhalb Bundesrichter, besetzt aber nur zehn Richterstellen. Auf der anderen Seite haben zum Beispiel die Grünen zwei Bundesrichterstellen zu viel.

Eine solch krasse Untervertretung einer Partei hat es seit Einführung der Gerichtskommission im Jahr 2003 noch nie gegeben.
Autor: Thomas Aeschi Nationalrat (SVP/ZG)

Nun ist mit Peter Karlen ein Bundesrichter der SVP zurückgetreten. Und da sei es eigentlich logisch, was geschehen müsste, findet SVP-Fraktionschef Aeschi: «Wenn der Parteienproporz respektiert wird, weiss jeder, welcher Partei ein Sitz zukommt.» Nämlich der SVP.

Mit Thomas Müller, dem Präsidenten des Berner Verwaltungsgerichts, hat die Partei einen ausgewiesenen Kandidaten gestellt.

Doch die zuständige Gerichtskommission beider Räte hat sich knapp für eine andere Kandidatin entschieden: Julia Hänni, Assistenzprofessorin aus dem Kanton Luzern – von der CVP. Leo Müller, Nationalrat der CVP, hat diesen Entscheid für die Gerichtskommission verteidigt: «Auch wir sind untervertreten. Zwar etwas weniger als die SVP – aber auch wir sind untervertreten.»

Keine Kampfwahl im Parlament

SVP-Kandidat Müller hat unter diesen Umständen am Morgen entschieden, seine Kandidatur zurückzuziehen. Eine Kampfwahl ist damit ausgeblieben. Die Frauenkandidatur der CVP hat sich durchgesetzt.

Die SVP sei nun gar mit zweieinhalb Bundesrichterstellen im Minus, ärgert sich Aeschi: «Eine solch krasse Untervertretung einer Partei hat es seit Einführung der Gerichtskommission im Jahr 2003 noch nie gegeben.»

Es besteht die Möglichkeit, den Parteienproporz wiederherzustellen.
Autor: Leo Müller Nationalrat (CVP/LU)

Der Parteienproporz, hielt CVP-Nationalrat Müller unter lautem Protest entgegen, sei zwar schon ein wichtiges Kriterium: «Aber es ist auch nicht das einzige Kriterium, das eingehalten werden muss. Auch die Gerichtskommission braucht Spielraum. Sonst braucht es sie gar nicht mehr.»

Julia Hänni habe die Kommission am meisten überzeugt, heisst es in deren schriftlichem Antrag ans Parlament. Zudem könne mit ihr der Frauenanteil am Bundesgericht erhöht werden. Und, so CVP-Vertreter Müller, man könne die SVP ja bei der nächsten Bundesrichterwahl wieder berücksichtigen: «Es besteht die Möglichkeit, den Parteienproporz wiederherzustellen.»

Für SVP-Fraktionschef Aeschi aber hat sich das Parlament gegen einen bestens qualifizierten Kandidaten entschieden – aus rein parteitaktischen Überlegungen: «In einem solchen Spiel gibt es nur Verlierer.» Es bleibt abzuwarten, ob die SVP bei der nächsten Vakanz einer anderen Partei ihren Anspruch anmelden und damit eine Kampfwahl erzwingen wird.

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