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Tierschutzfall Ramiswil SO Über 100 Hunde auf Hof eingeschläfert – wer wusste davon?

Nach der Räumung eines Hofs in Ramiswil SO gibt es Kritik an den Behörden. Haben sie zu spät eingegriffen?

Das ist passiert: Auf einem Bauernhof in Ramiswil im Kanton Solothurn lebten kranke und verwahrloste Tiere. Vor dem Wochenende wurde der Hof von den Behörden geräumt. 120 Hunde, mehrere Dutzend Pferde und zwei Ziegen wurden beschlagnahmt. 120 Hunde mussten vor Ort eingeschläfert werden. Der Hof sei den Behörden bekannt gewesen. Es hätten auch Kontrollen stattgefunden. In den letzten Wochen sei die Situation aber sehr rasch eskaliert, erklärte Kantonstierärztin Chantal Ritter im Interview mit SRF.

Verstoss gegen das Tierschutzgesetz? Die Staatsanwaltschaft «hat gegen eine Beschuldigte ein Strafverfahren wegen mehrfacher Tierquälerei eröffnet. Die Beschuldigte befindet sich nicht in Haft und es gilt bis zu einem rechtskräftigen Abschluss die Unschuldsvermutung», heisst es auf Anfrage von SRF. Wer Tiere vorsätzlich misshandelt oder vernachlässigt, muss gemäss Schweizer Tierschutzgesetz mit bis zu drei Jahren Freiheitsstrafe rechnen. Handelt jemand fahrlässig, gibt es eine Geldstrafe von bis zu 180 Tagessätzen.

Luftaufnahme eines ländlichen Bauernhofs mit mehreren Gebäuden.
Legende: Der Hof im Solothurnischen Ramiswil ist eher abgelegen. Die Umstände der Vorfälle sind noch nicht bekannt. Die Staatsanwaltschaft ermittelt. SRF

Reagierte der Kanton Solothurn zu spät? Die Behörden hätten weggesehen, zu spät reagiert – liest man in sozialen Medien und in den Kommentaren diverser Onlinezeitungen. Diesen Vorwurf lässt die Solothurner Kantonstierärztin nicht gelten. Man habe auf dem Hof immer wieder Kontrollen durchgeführt, zuletzt im Mai. Die Auflagen des Veterinärdienstes seien eingehalten worden. «Der Fall war uns bekannt. Das Problem ist, dass es sehr schnell sehr viel schlimmer geworden ist», so Ritter.

Tote Rinder in Boningen SO: 2016 wurde Politik aktiv

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Zwei Kühe im Stall beim Fressen von Heu.
Legende: Nicht alle Tiere werden artgerecht gehalten. Die Kantonstierärztinnen und -ärzte machen Kontrollen, wenn ihnen Missstände bekannt sind. Als erstes gelte es immer das Tierwohl wiederherzustellen, sagt die Solothurner Kantonstierärztin Chantal Ritter. Keystone/ANGELIKA WARMUTH/Symbolbild

Im Jahr 2016 wurden auf einem Solothurner Hof 16 verendete Rinder aufgefunden. Einzelne Tiere waren schon seit Wochen tot. Der Fall beschäftigte nicht nur den Veterinärdienst und die Staatsanwaltschaft. Auch die Politik wollte Antworten darauf, wie so etwas passieren und unentdeckt bleiben konnte.

Ein externer Untersuchungsbericht kam zum Schluss, dass der Kanton Solothurn nichts versäumt hatte. Auch mit engmaschigeren Kontrollen hätte der Tierschutzfall nicht verhindert werden können, so der Bericht.

Nervengift als Todesursache

Im Stall des Hofes konnte das tödliche Nervengift Botulinum Neurotoxin C/D nachgewiesen werden. Das Gift ist wohl aufgrund eines nicht ordnungsgemäss entsorgten Tierkadavers entstanden. Via Nahrung haben es dann die anderen Rinder aufgenommen und sind verendet.

Politische Vorstösse auch im Fall Ramiswil?

Gut möglich, dass die Politik in diesem grössten Solothurner Tierschutzfall ebenfalls aktiv wird. Ein Kantonsparlamentarier der Grünen hat in der «Solothurner Zeitung» bereits einen Vorstoss angekündigt.

Betroffenheit im Dorf: Bei der Gemeinde Mümliswil-Ramiswil waren für die betreffende Adresse 30 Hunde angemeldet, nicht 120, sagt Gemeindepräsident Marco Millonig gegenüber SRF. «Es herrscht eine Bedrücktheit im Dorf.» Der Hof ist abgeschieden und nicht an Wanderwegen gelegen: «Die nächsten Nachbarn sind mehrere Hundert Meter vom Hof entfernt.» Die Gemeinde habe keine Meldungen zu Missständen erhalten. Bei der Gemeinde war ein Gesuch für Hundezwinger eingegangen. Deswegen habe man im April 2024 den Hof besucht und keine Anomalien festgestellt, sagt Millonig. Das Baugesuch liegt beim Kanton.

Das sagt der Schweizer Tierschutz: Beim Schweizer Tierschutz STS seien schon letztes Jahr mehrere Meldungen zum Hof eingegangen. Diese habe der STS dem Veterinäramt weitergeleitet. Die Behörden wiederum sagen, bei der letzten Kontrolle in diesem Jahr habe man keine Tierschutzverstösse festgestellt. Peter V. Kunz, Präsident des STS und Professor für Tierrecht bezweifelt das: «Im Mai soll alles noch in Ordnung gewesen sein und heute sind die über 100 Hunde in so einem schlechten Zustand, dass man sie euthanasieren muss – das widerspricht für mich dem gesunden Menschenverstand.» Der Fall werde weiter beschäftigen, ist sich Kunz sicher. «Die Behörde wird sicherlich noch Rechenschaft ablegen müssen, warum sie so gehandelt hat, wie sie es getan hat.»

Peter V. Kunz

Wirtschaftsrechtler & Tierrechtsexperte

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Peter V. Kunz ist Professor für Wirtschaftsrecht an der Rechtswissenschaftlichen Fakultät der Universität Bern und war deren Dekan bis 2020. Ausserdem ist er Professor für Tierschutz- und Tierrecht an der Universität Bern. Seit 2025 ist er zudem Präsident des Schweizerischen Tierschutzes STS.

Wie werden Tierhalter in der Schweiz kontrolliert? Ob und wie oft Bauernhöfe kontrolliert werden, hängt von der Art des Hofes ab. Das Tierschutzrecht sieht vor allem bei der Nutztierhaltung regelmässige Kontrollen vor. «Nutztiere wie Kühe, Rinder oder Schweine sind also besser überwacht als Haustiere wie Katzen oder Hunde», sagt der Präsident des Schweizer Tierschutzes STS, Peter V. Kunz. Wenn ein Veterinäramt eine Tierschutzkontrolle anordnet, muss diese gut gerechtfertigt sein, wegen des Personals und der Kosten.

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Regionaljournal Aargau Solothurn, 10.11.2025, 12:03 Uhr ; 

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