Das Wichtigste in Kürze
- Auf den 1. Januar 2018 wird im Schweizer Strafrecht die Bedeutung der Geldstrafen reduziert.
- Auf Druck von Staatsanwälten und Parlamentariern wird die Möglichkeit von bedingten Freiheitsstrafen von bis zu sechs Monaten wiedereingeführt.
- In der Romandie, wo die Gefängnisse schon heute stark überbelegt sind, dürfte die Wiedereinführung kurzer Strafen zum Problem werden.
Die Ansage des Genfer Staatsanwalts Olivier Jornot ist klar: «Ab 1. Januar werden in Genf wieder vermehrt Menschen zu Gefängnisstrafen verurteilt.» Jornot will die Revision des Strafrechts nutzen, um wieder mit aller Härte gegen illegal anwesende Ausländer vorzugehen.
Dass die Gefängnisse bereits heute überbelegt sind, interessiert ihn nicht. Seine Aufgabe sei es, dem Sicherheitsbedürfnis der Bevölkerung gerecht zu werden und da mache er keine Abstriche, nur weil in den Gefängnissen kein Platz sei, kündigt der Generalstaatsanwalt an.
Fragwürdige Zustände in Genfer Haftanstalten
Sandrine Giroud, Präsidentin der Menschenrechtskommission der Genfer Anwaltskammer, legt Einspruch ein. Sie sagt, dass die Situation in den Gefängnissen sehr kritisch werde, wenn Jornot seine Ankündigung wahrmache: «Schon jetzt herrschen in den Gefängnissen teils widerrechtliche Zustände.»
Allein im Jahr 2016 hat das Bundesgericht in 24 Fällen unhaltbare, unmenschliche Bedingungen festgestellt und den Kanton Genf dazu verurteilt, insgesamt 87'000 Franken als Entschädigung an Häftlinge zu überweisen. Weitere Klagen seien hängig, so die Auskunft der Sicherheitsdirektion.
Das grösste Genfer Gefängnis, die Anstalt Champ-Dollon, ist chronisch überfüllt. Aktuell beträgt die Belegung 150 Prozent. 2014, als Jornot schon einmal mit aller Härte gegen illegale Aufenthalter vorgegangen war, schnellte die Belegung auf 240 Prozent, 89 Häftlinge versuchten sich zu erhängen und es kam zu tagelangen Unruhen.
Hartes Regime gegen illegale Ausländer
Die Genfer Anwältin Giroud sagt, dass solche Zustände vermeidbar wären: Heute nämlich würden in Genf auch Ausländer eingesperrt, die nur zu einer bedingten Gefängnisstrafe verurteilt wurden. Die Rechtfertigung dafür: Auch bedingt verurteilte Täter sollen ausgeschafft werden und um die Ausschaffung zu garantieren, werden die Ausländer vorsorglich ins Gefängnis gesperrt.
In Genf leben sechs Prozent der Schweizer Bevölkerung, dreimal weniger als in Zürich. Trotzdem werden in Genf fast doppelt so viele Personen eingesperrt. «Ich glaube nicht, dass der Kanton Zürich deswegen unsicherer ist», sagt Giroud. Ihr Fazit: Die Politik in Genf setzt einseitig auf die Einsperrung und blendet Alternativen aus.
Der Generalstaatsanwalt reagiert gereizt: Gegen Kleinkriminelle helfe nur einsperren und ausschaffen: «Es gibt keine Wunder.» In Genf sei die Kriminalität nun mal anders. Die Grenzlage führe zu mehr Kriminaltourismus, zu mehr Schmuggel und dann sei da noch das internationale Genf, das die Sicherheitsbehörden stark beanspruche. Kurz: «Genf ist ein Sonderfall», sagt Generalstaatsanwalt Jornot – und beendet das Gespräch.