An der Unfallursache gebe es keine Zweifel, sagt Philippe Thürler, der die Untersuchung der Sust (Schweizerische Sicherheitsuntersuchungsstelle) geleitet hat. In der letztlich gebrochenen Radscheibe habe es zahlreiche Risse gegeben, die senkrecht durch das Rad verlaufen seien. «Diese Risse sind schwerwiegende Fehler, wenn sie nicht frühzeitig erkannt und behoben werden. Diesen Fehler haben wir bei der Untersuchung bei elf Rädern festgestellt.»
Dieser Radsatz hat nur 50'000 Kilometer zurückgelegt. Die heutigen Fristvorgaben schreiben für eine Revision der Achsen acht Jahre oder 660'000 Kilometer vor.
Ausgelöst worden seien diese Risse durch eine thermische Überbeanspruchung des Rades, kurz gesagt durch zu viel Hitze. Verantwortlich hierfür sind die Bremssohlen, die bei diesem Zug verwendet wurden. Und das, obwohl die Räder gemäss den geltenden Vorschriften eigentlich noch lange nicht am Ende ihrer Lebenszeit angekommen waren, sagt Philippe Thürler: «Dieser Radsatz hat nur 50'000 Kilometer zurückgelegt. Die heutigen Fristvorgaben schreiben für eine Revision der Achsen acht Jahre oder 660'000 Kilometer vor.»
Senkrechte Risse an den Radscheiben
Diese senkrechten Risse in den Radscheiben seien ein systematisches Problem, so Thürler weiter. Die Europäische Eisenbahnagentur ERA habe in den letzten fünf Jahren über 80 Radscheibenbrüche wegen Materialüberlastung registriert. Die Sust empfiehlt deshalb, die Richtlinien bei der Verwendung bestimmter Bremssohlen anzupassen.
Güterverkehr ist grenzüberschreitend. Darum macht es keinen Sinn, länderspezifische Vorgaben zu machen.
Stephan Eder, Leiter der Sust, sagt diese Empfehlung richte sich in erster Linie an die Europäische Eisenbahnagentur und nicht an das Bundesamt für Verkehr. «Güterverkehr ist grenzüberschreitend, die Schweiz ist recht klein. Es gibt viele dieser Güterwagen. Sie verkehren in ganz Europa. Darum macht es keinen Sinn, länderspezifische Vorgaben zu machen.»
Bislang hat die Europäische Eisenbahnagentur ERA noch nicht gehandelt und die Vorgaben noch nicht angepasst, obschon diese Forderung nach dem Unfall im Gotthardtunnel von vielen Seiten aufgekommen war. Stephan Eder sagt dazu: «Ich denke, es ist eine Frage des Drucks, der auf die ERA zukommt. Im Nachgang zur Untersuchung der Sust haben andere Länder mehr Augenmerk auf solche Radscheibenbrüche gelegt. Früher wurde dieses Problem einfach abgetan. Und seitdem die Sust das gründlich untersucht hat, kommen auch andere Länder, die das gleiche Problem hatten. Damit steigt der Druck auf die ERA, weil es kein isoliertes schweizerisches Problem ist.»
Verletzt wurde beim Unfall im Gotthard niemand. Der Sachschaden aber war hoch. Zusammen mit den Ertragsausfällen beziffern ihn die SBB auf rund 150 Millionen Franken.