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Ungewöhnliche Sammlung Referendum gegen Sozialdetektive kommt zustande

  • Ein Referendumskomitee hat über 55'000 Unterschriften gegen das «Sozialdetektiv-Gesetz» gesammelt. Die Unterschriften sind aber noch nicht beglaubigt.
  • Es ist das erste Referendum, das auf sozialen Medien ergriffen worden ist.
  • Das so genannte «Sozialdetektiv-Gesetz» erlaubt die Observation von versicherten Personen bei Verdacht auf Missbrauch.

Das Referendum ergriffen hat keine Partei, sondern vier Bürgerinnen und Bürger. Sie verbanden sich Mitte März über Twitter. Dann starteten sie im Internet einen Aufruf. Innert drei Tagen sagten über 10'000 Personen zu, Unterschriften sammeln zu wollen. Ein Referendum kommt zustande, wenn die notwendigen 50'000 Unterschriften innert 100 Tagen gesammelt werden.

Darum geht es beim «Sozialdetektiv-Gesetz»:

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Das von National- und Ständerat in der Frühjahrssession verabschiedete Gesetz ermöglicht es Sozialversicherungen, Versicherte bei Verdacht auf Missbrauch durch Detektive observieren zu lassen. Die Regeln gelten nicht nur für die Invalidenversicherung (IV), sondern auch für die Unfall-, die Kranken- und die Arbeitslosenversicherung.

Neben Bild- und Tonaufnahmen sind auch technische Instrumente zur Standortbestimmung erlaubt. Gemeint sind vor allem GPS-Tracker, die an Autos angebracht werden. Anders als bei den Bild- und Tonaufnahmen braucht es dafür eine richterliche Genehmigung.

Zwei Drittel der Unterschriften von Einzelpersonen

Heute nun hat das Komitee via SMS an seine Unterstützer bekannt gegeben: Es sind bereits über 55'000 Unterschriften eingetroffen, ein Monat vor Ablauf der Sammelfrist. Allerdings müssen die Unterschriften noch beglaubigt werden.

«Jede der 10'000 Personen musste nur noch eine kleine Anzahl sammeln», erklärt Dimitry Rougy vom Referendumskomitee. Das habe geklappt: Rund zwei Drittel der Unterschriften seien von Privatpersonen eingesandt worden. Hinter das Referendum stellten sich aber auch Organisationen wie Amnesty International, die Grünen und später auch die SP. Sie sammelten rund einen Drittel der Unterschriften.

P olitologe: «Eine Verschiebung der Macht»

Dass Privatpersonen ein Referendum stemmen, ist für den Politologen Michael Hermann von der Universität Zürich neu: «Dass Outsider referendumsfähig sind, bedeutet eine Verschiebung der Macht – von etablierten politischen Institutionen hin zu Bürgerbewegungen.» Das könne es schwieriger machen, Reformen durchzubringen. So drohe nun jederzeit ein Referendum – auch wenn die Parteien im Parlament einen guten Kompromiss ausgehandelt hätten.

Schriftstellerin Sibylle Berg hat das Referendum mitinitiiert. Sie wehrt sich gegen die Bedenken des Politologen: «Das ist doch eine sehr lebendige Form von Demokratie, die eigentlich nur gut sein kann für die Zufriedenheit.»

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