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Uni-Transparenz Uni-Bindungen: Was die Daten aussagen können – und was nicht

In einer aufwendigen Recherche hat SRF möglichst alle deklarierten Interessenbindungen von Schweizer Universitäten erhoben. Doch welche Schlüsse lassen sich aus den gesammelten Daten ziehen – und welche nicht?

1. Was genau sind Interessenbindungen?

Unter Interessenbindungen verstehen wir vertragliche Verbindungen zwischen Universitäten und Dritten. Das können andere Forschungsinstitute, Stiftungen, öffentliche Institutionen oder privatwirtschaftliche Firmen sein, die beispielsweise eine Professur sponsern oder grössere Beträge an die Forschung spenden. Im weiteren Sinne verstehen wir unter Interessenbindungen einer Universität auch Nebenbeschäftigungen von Professoren, Universitätsräten und Stiftungsräten – zum Beispiel in Form eines Verwaltungsratsmandats in einer Organisation. Nicht darunter fällt allerdings die sogenannte Auftragsforschung, für die andere Regeln gelten.

2. Sind alle diese Interessenbindungen problematisch?

Nein, keineswegs. Viele der Verbindungen machen durchaus Sinn und sind für Wissenschaft und Forschung hilfreich. Etwa die Mandate in wissenschaftlichen Beiräten. Wir haben uns aber entschieden, möglichst alle Interessenbindungen die wir recherchiert haben, zu publizieren, um so möglichst grosse Transparenz herzustellen. So kann sich der Betrachter selbst ein Bild machen und entscheiden, wo potenzielle Interessenkonflikte bestehen könnten. Ob eine Interessenbindung zu einem potentiellen Konflikt führt – ob sie zum Beispiel die wissenschaftliche Unabhängigkeit gefährdet – muss von Fall zu Fall beurteilt werden.

3. Wie wurden all diese Daten erhoben?

Das ist sehr unterschiedlich geschehen. Teilweise haben wir die Daten von den jeweiligen Universitäten direkt bekommen, teilweise mussten wir ein Öffentlichkeitsgesuch stellen und uns auf die kantonalen und eidgenössischen Öffentlichkeitsgesetze berufen. Teilweise werden die Daten auch auf den Webseiten der Universitäten veröffentlicht. Die jeweiligen Quellen stehen deshalb in der interaktiven Grafik unter jeder Universität. Um möglichst alle Nebenbeschäftigungen von Professoren korrekt abzubilden, haben wir sämtliche Professoren per E-Mail angeschrieben und um Verifikation gebeten. Etwa ein Fünftel der Professoren hat darauf reagiert und um eine Korrektur gebeten – viele davon haben uns zusätzliche Nebenbeschäftigungen, die wir noch nicht vermerkt hatten, gemeldet.

Zürich und Luzern

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Die Universitäten Zürich und Luzern wollen die Nebenbeschäftigungen ihrer Professoren bisher leider nicht veröffentlichen oder sind gerade erst im Prozess, dies zu tun. Sie sind deshalb nicht Teil unserer Datenbank.

4. Kann man die Universitäten untereinander überhaupt vergleichen?

Zu einem gewissen Grad sind Vergleiche zulässig, aber es gibt Vorbehalte: Die jeweiligen Reglemente für gesponserte Professuren und Nebenbeschäftigungen der Universitäten gehen unterschiedlich weit. Das heisst: Je strenger das Reglement, desto mehr deklarierte Interessenbindungen sind vorhanden. Eine «strenge» Universität ist somit nicht zwingend eine aussergewöhnlich stark mit der Privatwirtschaft verbundene – sie zeigt einfach maximal-transparent, welche Bindungen sie hat. Grundsätzlich lassen sich ETHZ und EPFL gut miteinander vergleichen, da sie als eidgenössische Hochschulen ähnliche Reglemente haben. Diese beiden Hochschulen haben in der Grafik auch die meisten Interessenbindungen, weil die eidgenössische Gesetzgebung eher streng ist.

Ein Vergleich in Bezug auf die übergeordneten Forschungsgebiete / Themenfelder (in Form von «Professoren in den Naturwissenschaften haben überdurchschnittlich viele Interessenbindungen») bezieht sich stets auf die Nullhypothese (sprich: auf die Grundannahme), dass uns bekannte Professoren unabhängig von ihrem Forschungsgebiet gleich viele Interessenbindungen haben. Sehen wir dann in unserer Auswertung eine Abweichung von dieser Gleichverteilung, bezeichnen wir diese entweder als über- oder unterdurchschnittlich. Das Gleiche gilt für Vergleiche in Bezug auf die Interessenbindungen nach Universitäten und nach Wirtschaftsbranchen.

5. Was bedeuten die unterschiedlichen Farben in der Grafik?

Interaktive Grafik

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Alle Interesenbindungen der Schweizer Universitäten auf einen Blick: Die interaktive Grafik von SRF Data im Vollbild-Modus.

Jede Farbe bezeichnet die «Branche» der mit der Universität verbundenen Organisation. In den meisten Fällen sind dies Wirtschaftsbranchen wie «Finanzwirtschaft & Versicherungen» oder «Pharma & Gesundheit», aber auch der öffentliche Sektor ist abgebildet (Politik, Verwaltung, Justiz & Sicherheit). Bei der Zuweisung einer Organisation zu einer Branche gingen wir folgendermassen vor: Zuerst liessen wir jede Organisation von vier verschiedenen Personen manuell zu einer sogenannten Interessengruppe, die aus dem Lobbywatch-Datenmodell stammt, zuweisen. Danach wählten wir für jede Organisation die Interessengruppe mit den meisten Zuweisungen aus – bei Gleichstand fällten wir selber eine Entscheidung. Die etwas über 130 Interessengruppen wurden dann zu den endgültigen Branchen zusammengefasst.

6. Wenn ein Professor oder Universitätsrat nicht in der Datenbank vorkommt – hat er dann keine Nebenbeschäftigungen?

Das ist nicht sicher. Die Daten beinhalten nur die Selbstdeklarationen von Professoren gemäss der jeweiligen Universitäts-Reglemente. Da gibt es Unterschiede: Das Reglement der Universität Lugano etwa ist so lasch, dass kein einziger Professor eine Nebenbeschäftigung deklariert hat. Bei der Universität St. Gallen hingegen muss fast alles deklariert werden – dementsprechend viele Interessenbindungen werden in der Grafik abgebildet (siehe auch Punkt 4).

7. Aber macht es nicht einen Unterschied, wie der jeweilige Professor angestellt ist?

Das macht in der Tat einen grossen Unterschied. Gewisse Professoren sind beispielsweise nur zu 50 % an einer Uni angestellt. Da ist es wenig überraschend, wenn sie mehr Nebenbeschäftigungen wahrnehmen als andere, die zu 100 % in der Forschung und Lehre tätig sind. Leider sind die Anstellungsverhältnisse in den Daten nicht ersichtlich, da nur wenige Universitäten darüber informieren.

8. Wie wurden die Daten gespeichert?

Das Beziehungsgefüge unter den einzelnen Akteuren in den gesammelten Daten ist ziemlich komplex. Zum Beispiel kann ein Professor einer Universität gleichzeitig noch im Universitätsrat dieser Universität Einsitz haben – oder nebenbei noch an anderen Instituten der gleichen oder einer anderen Universität lehren. Zudem finden sich in den aufwendig gesammelten Daten zum Teil unterschiedliche Schreibweisen für die gleiche Organisation («SNF», «Schweizerischer Nationalfonds», «Schweizer Nationalfonds») – je nachdem, wie die Daten initial von den zuständigen Stellen erhoben wurden. Um Doppelspurigkeiten und Inkonsistenzen zu vermeiden, wurden die Daten nach ausführlicher Vorprozessierung und Bereinigung in ein relationales Datenbanksystem überführt. So kann unter anderem gewährleistet werden, dass jeder Akteur nur einmal in der Datenbank abgebildet ist.

9. Wird diese Datenbank jetzt regelmässig aktualisiert?

Das wird kaum möglich sein. Zu aufwendig war die Erhebung und Konsolidierung der Daten. Wir sind der Meinung, dass es in erster Linie Aufgabe der Universitäten ist, aktuelle Daten leicht zugänglich zu machen, zum Beispiel in Form einer Webseite. Wer Interesse hat, die Daten ehrenamtlich regelmässig nachzuführen, kann gerne mit uns unter data(at)srf.ch Kontakt aufnehmen.

10. Wann wird die Datenbank für die Öffentlichkeit verfügbar gemacht?

Ein vereinfachtes Abbild der Datenbank ist bereits in Form der interaktiven und durchsuchbaren Grafik veröffentlicht. Die Datenbank selber ist zur freien Verfügung auf http://srfdata.github.io publiziert (ganz unten). Eine detaillierte Datenbeschreibung und Hinweise zur Methodologie folgen.

11. Warum können die Mandate von einzelnen Personen mehrfach auftauchen?

Es gibt Personen in der Datenbank, die mehrere Funktionen haben. Sie sind zum Beispiel Professor, Stiftungsrat und Universitätsrat. Weil die Grafik aber möglichst alle Interessenbindungen aufzeigen will, wird zu jeder Funktion eine eigene Verbindung gezeichnet - weil, je nach Funktion, unterschiedliche Interessenkonflikte auftreten können. Es kann also bei einzelnen, sehr einflussreichen Personen eine Kumulation an Verbindungen geben.

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