Bewegtes erstes Jahrzehnt: Vor zehn Jahren ist die Tariforganisation SwissDRG entstanden, um ein neues Tarifsystem für Spitäler zu schaffen. Es basiert auf Fallpauschalen, die sich an der Diagnose orientieren und für jede Behandlung die Aufenthaltsdauer festlegen. Die Kritik war scharf und es gab Ängste vor vorzeitigen, «blutigen» Entlassungen. Seit sechs Jahren rechnen die Spitäler so ab. Jedes Jahr hat SwissDRG das Tarifsystem angepasst. Heute stellt Geschäftsführer Simon Hölzer aufgrund der neusten Zahlen der Krankenversicherer fest, dass die stationären Kosten erstmals leicht rückläufig seien.
Die neusten Zahlen der Kassen zeigen erstmals leicht rückläufige stationäre Kosten.
Mehr Wettbewerb unter den Spitälern: Für Hölzer geht es damit in die richtige Richtung, doch wünscht er sich künftig noch mehr Wettbewerb: Spitäler sollten sich tatsächlich vergleichen lassen, nicht nur im Preis, sondern auch in der Qualität. Auch dort brauche es mehr Transparenz nach dem Kriterium: Welche Leistung wird in welcher Menge zu welcher Qualität angeboten und wo bin ich als Patient beziehungsweise Versicherter am besten aufgehoben?
Knacknuss Psychiatrie: Nach den Fallpauschalen für die Spitäler hat SwissDRG einen Tarif für Aufenthalte in psychiatrischen Kliniken geschaffen. Auch hier hagelte es Kritik von Psychiaterinnen und Klinik-Chefärzten: eine Depression sei nicht mit einer Operation zu vergleichen, die Dauer einer Behandlung individuell. Und wieder ist es Hölzer gelungen, eine Lösung zu finden – diesmal mit Tagespauschalen. Der Tarif gilt seit Anfang Jahr.
Die jüngste Herausforderung: Jetzt soll Hölzer einen weiteren Tarifstreit schlichten: Es geht um die Preise, die Ärzte mit eigener Praxis und Ambulatorien von Spitälern verrechnen. Im laufenden Jahr soll sein Team prüfen, ob auch dort Pauschalen für bestimmte Behandlungen sinnvoll sind. Wie das aussehen wird, ist noch offen. Klar ist aber, dass sich das Tarifsystem der Spitäler nicht auf die Ärztetarife übertragen lässt: Da es heute eine unterschiedliche Finanzierung und auch unterschiedliche Tarifstrukturen ambulant und stationär gebe, brauche es auch unterschiedliche Lösungen, erklärt Hölzer und betont: «Da spielt eben die Finanzierung, also wo das Geld herkommt, eine untergeordnete Rolle.»
Umgehen mit Dauerkritik: Mit der ständigen Kritik wisse er nach den vielen Jahren umzugehen, sagte der gross gewachsene sportliche 48-jährige, der vorher für den Spitalverband H+ gearbeitet und sich auch mit eHealth- und IT-Anwendungen befasst hatte: «Wir schauen, aus welcher Ecke die Kritik kommt und wie sie zu verstehen ist. Wir versuchen, diese Kritik konstruktiv aufzunehmen.»
Anerkennung von den Playern: Dass ihm das gelingt, attestieren ihm auch seine Verhandlungspartner. Bernhard Wegmüller vom Spitalverband H+ lobt Hölzer als fachlich sehr kompetent. Hölzer und sein Team suchten fachlich gute Lösungen für die Tarifsysteme. Hölzer sei bestimmt der Richtige, unterstreicht auch Verena Nold vom Krankenkassenverband santesuisse. Niemand in der Schweiz habe mehr Erfahrung und Kenntnis von den Kostendaten der Spitäler. Anhand dieser Kosten könne Hölzer sehr gut beurteilen, wie ambulante Pauschalen ausgestaltet werden müssten.
Störende Fehlanreize: Hölzer will faire Tarife. Auf dem Weg dorthin könnten ambulante Pauschalen helfen, ist er überzeugt. Doch diese alleine reichten nicht aus. So soll Hölzer auch die aktuellen tarifbedingten Fehlanreize unter die Lupe nehmen, wenn etwa Patienten ohne Not mehrmals untersucht werden, wie Radio SRF recherchiert hat.
Ein nützliches Merkblatt: Auch in dieser Debatte dürfte der vergilbte Merkzettel im Sitzungszimmer von SwissDRG in einem Bürogebäude nahe des Berner Hauptbahnhofs mithelfen. Darauf steht: «Zuhören, ausreden lassen, den eigenen Beitrag straffen, beim Thema bleiben, die Form wahren. Simon»