SRF News: Strafverfolger sollen Informationen zu Haut-, Haar- und Augenfarbe aus der DNA herauslesen dürfen. Weshalb unterstützen Sie diesen Vorstoss?
Michael Thali: Weil ich als Forensiker möchte, dass Verbrechen in der Schweiz aufgeklärt werden.
Was kann man denn alles aus der DNA herauslesen?
Die wissenschaftlichen Methoden wurden in den letzten Jahren weiterentwickelt. Heute ist es möglich, aus der genetischen Spur an einem Tatort Anhaltspunkte für ein Signalement zu generieren. Man kann zum Beispiel sagen, aus welcher Region ein Spurenleger kommt, welche Hautfarbe er hat, und man kann eine gewisse Wahrscheinlichkeitsberechnung machen, welche Augen- oder Haarfarbe er hat. Das ist wesentlich für die polizeilichen Ermittlungen.
Ganz sicher kann man sich beim Aussehen des Täters also nicht sein?
Gewisse Aussagen über das Signalement wie Haut- und Haarfarbe sind heute zwar möglich, aber ganz sichere Aussagen sind wissenschaftlich noch nicht möglich.
Ganz sichere Aussagen sind wissenschaftlich noch nicht möglich.
Es wird daran geforscht, wie man auf Basis der DNA ein Phantombild erstellen kann. Ist das noch Zukunftsmusik?
Wissenschaftlich arbeitet man daran, dass man aus den Genfasern aufgrund der Merkmale wie Augen- und Haarfarbe sowie der Körperphysiognomie ein Phantom errechnen kann. Aber das ist momentan noch eine Vision.
Kritiker halten das Gesetz, sollte es denn kommen, für heikel. Sagt man zum Beispiel, der Täter war rothaarig, geraten alle Rothaarigen unter Generalverdacht...
Diese Formulierung ist übertrieben. Ich sehe einige Kriminalfälle, die nach Tagen, Wochen, Monaten nicht gelöst sind. Da ist es wichtig, für das Umfeld, für die Angehörigen und letztendlich auch für die Polizeiarbeit, die auch kostet, dass man zurückgreift auf wissenschaftliche Methoden, wo man im Einzelfall weiterkommt. Die Aussage, dass dann alle unter Generalverdacht stehen oder der gläserne Mensch dann in der Schweiz üblich würde, selbst bei Kioskdiebstählen, ist obsolet.
Ich begrüsse die Regelung, weil ich als Forensiker möchte, dass Verbrechen in der Schweiz aufgeklärt werden.
Bringt die Änderung aus Ihrer Sicht keine Schwächung des Datenschutzes?
Ich sehe das nicht so. Es geht – so wie ich die Motion verstehe – um ausgewählte kapitale Verbrechen oder schwere Verbrechen, sicher nicht jedes kleine Delikt. Ich sehe als Forensiker, der auch das Leid der Angehörigen miterlebt, keine Schwächung des Rechtsstaates.
Das Gespräch führte Christoph Kellenberger.
Datenschützer äussert Bedenken
SRF News: Auch die Rechtskommission des Ständerats spricht sich für die Auswertung von Informationen über DNA-Analysen aus. Wie sehen sie das aus ihrer Sicht? Adrian Lobsiger, Eidgenössischer Datenschutzbeauftragter: Das geltende Gesetz sieht vor, dass bereits verdächtigte Personen eindeutig identifiziert werden können. Der Gesetzgeber von 2003 wollte aber eben gerade nicht, dass die DNA-Spuren für die Fahndung von noch nicht Verdächtigten Unbekannten eingesetzt werden kann. Das ist auch der Grund, weshalb er dann verboten hat, dass Spuren nach körperlichen Merkmalen wie Gesundheit oder Hautfarbe ausgewertet werde können. Sie haben also Bedenken? Ja, ich habe Bedenken, dass natürlich die recht unsicheren Merkmale wie Haut- oder Haarfarbe ausgewertet werden könnten und dann einzelne Strafverfolgungsbehörden sich dazu hinreissen lassen könnten, eine grössere Menge von Unbekannten unter einen Generalverdacht zu stellen. Haben sie diese Bedenken bereits angebracht? Nun, ich habe Bedenken ja. Aber man muss auch sagen, dass es schon heute möglich ist, dass ein Strafgericht.bei ganz besonders schweren Fällen diese Massnahme nutzen darf. Kommt es zur Vernehmlassung des Gesetzes werden auch wir Stellung nehmen. |