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Symbolbild: Schild mit Schweiz und Schweizer Kreuz und EU-Flagge und dem Begriff Recht durchgestrichen.
Legende: Wie viel Souveränität bleibt der Schweiz? Das ist wohl die Grundfrage der Diskussion. Imago Archiv

Verhältnis Schweiz-EU Warum ein Rahmenabkommen nötig ist – oder doch nicht?

Die Schweizer Lust auf ein Rahmenabkommen mit der EU hält sich in Grenzen. Auch nach Junckers Besuch bleibt unklar, wie es nun weitergeht.

Die EU möchte mit der Schweiz ein sogenanntes Rahmenabkommen abschliessen, welches die Bilateralen Verträge unter einem Dach vereint. Im Vertrag würde insbesondere geregelt, in welcher Form die Schweiz sich weiter entwickelndes EU-Recht übernehmen würde.

Ausserdem soll mit dem Rahmenabkommen ein Verfahren geschaffen werden, das bei Streitigkeiten über die Auslegung der Abkommen zwischen Brüssel und Bern entscheiden würde.

Schweiz wenig begeistert

Die Schweiz tut sich schwer mit einem institutionellen Rahmenabkommen: Kritisiert wird insbesondere, dass die Schweiz Gesetzesanpassungen der EU in Bereichen, in denen bereits bilaterale Abkommen bestehen, ungefragt übernehmen müsste.

Ausserdem erhielten sogenannte «fremde Richter» bei Streitigkeiten zwischen der EU und der Schweiz Entscheidungsgewalt über Gesetze in der Schweiz. So werde die direkte Demokratie ausgehebelt, argumentieren Gegner.

Brüssel drängt auf ein Rahmenabkommen

Die EU drängt auf den Abschluss eines institutionellen Rahmenabkommens mit der Schweiz: Eigentlich wollte sie ein solches bis Ende 2017 mit Bern aushandeln. Bei seinem Besuch sagte EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker nun aber, ein Abkommen werde bis im Fürhling 2018 angestrebt. Klar ist: Über einen solchen Vertrag – Juncker nennt ihn neuerdings «Freundschaftsvertrag» – würde das Schweizer Volk an der Urne entscheiden.

Gegen den Abschluss eines Rahmenabkommens mit der EU sprechen laut dem Autor Richard Wengle folgende Argumente:

  • Die Frage der Aufdatierung der Verträge zwischen der Schweiz und der EU sind bereits geregelt. Es braucht kein neues Verfahren.
  • Ein Streitbeilegungs-Verfahren, wie es für ein Rahmenabkommen angedacht ist, ist schädlich für die Schweiz.
  • Für den Zugang der Schweiz zu EU-Binnenmarkt ist ein Rahmenabkommen nur marginal von Bedeutung.
  • Sowohl die direkte Demokratie wie auch das wichtige Subsidiaritäts-Prinzip in der Schweiz würden beschädigt.
  • Durch ein Rahmenabkommen wird die Rechtssicherheit nicht verbessert – im Gegenteil: Sie wird verschlechtert.

Richard Wengle

Der Zürcher Banken-Anwalt Richard Wengle ist erklärter Gegner eines EU- oder EWR-Beitritts der Schweiz. Er hat das Buch «Rahmenabkommen als Stolperstein auf dem bilateralen Weg» geschrieben.

Für ein Rahmenabkommen sprechen laut Wirtschafs-Professor Thomas Cottier dagegen folgende Argumente:

  • Die Schweiz braucht grundsätzlich neue Abkommen mit der EU, um den Wirtschaftsstandort Schweiz zu sichern.
  • Dazu gehört auch ein institutionelles Rahmenabkommen, denn nur so können Marktzugangsrechte für die Schweiz gesichert werden.
  • Die EU könnte nach dem Austritt Grossbritanniens und unter Führung Frankreichs neue Handelsbarrieren aufbauen, die auch die Schweiz betreffen könnten. Eine Verbesserung des Rechtsschutzes und die Einführung einer Streitschlichtung sind deshalb unabdingbar.
  • Stichwort «fremde Richter»: Auch wenn der europäische Gerichtshof eine Rolle spielen dürfte, sind Lösungen möglich, bei denen auch Schweizer Richter an den Entscheiden beteiligt wären.

Thomas Cottier

Thomas Cottier ist ehemaliger Leiter des Instituts für Europa- und Wirtschaftsvölkerrecht der Uni Bern. Er setzt sich als Präsident des Vereins Die Schweiz in Europa für ein Rahmenabkommen mit der EU ein.

Was tut jetzt der Bundesrat?

Nach dem Besuch Junckers, so kündigte der Bundesrat schon vor zwei Wochen an, werde man den Kurs der Schweizer Europapolitik neu justieren. Was genau das heisst, bleibt vorerst offen – auch was ein mögliches institutionelles Abkommen mit der EU angeht.

Der neue Aussenminister Ignazio Cassis hatte vor seiner Wahl gesagt, er wolle bei den Gesprächen mit der EU den «Reset-Knopf» drücken. Nach der Wahl sprach er allerdings bloss noch davon, dass der Bundesrat den bilateralen Weg weiterverfolgen wolle – mit der nötigen Offenheit gegenüber Weiterentwicklungen und Anpassungen.

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