Darum geht es: Die kantonalen Verkehrsämter sind verpflichtet, Fahrzeuge regelmässig auf ihre Fahrtauglichkeit zu prüfen. Für die meisten Autos gilt: Neuwagen müssen nach fünf Jahren in die Kontrolle, dann wieder nach drei Jahren und später alle zwei Jahre. Doch die Ämter sind in den meisten Kantonen überlastet und können die Fristen häufig nicht einhalten. Der Rückstand hat in den letzten Jahren nochmals zugenommen. Heute sind es in der Schweiz über 600'000 Fahrzeuge, die eigentlich bereits vor einem Jahr hätten geprüft werden müssen.
Das sind die Gründe: Es gibt unterschiedliche Faktoren, die zum wachsenden Rückstand bei den Fahrzeugprüfungen führten. So nimmt der Bestand der Fahrzeuge generell zu, was folglich auch mehr Kontrollen mit sich bringt. Weiter floriert in der Schweiz der Occasionshandel bei Autos, was Halterinnen und Halter zu häufigeren Kontrollen verpflichtet. «Dass das Durchschnittsalter der Autos so schnell wächst, haben wir nicht erwartet», sagt Sven Britschgi, Geschäftsführer der Vereinigung für Strassenverkehrsämter (ASA). Britschgi weist auch auf Spätfolgen der Corona-Pandemie hin. Während des Lockdowns hätten viele Verkehrsämter ihre Arbeit auf Eis legen müssen wegen der Vorschriften. Diese abgesagten Kontrollen mussten später nachgeholt werden.
Taxis, Lastwagen oder Cars werden möglichst fristgerecht geprüft. Personenwagen müssen länger warten.
Beispiel Bern: In Bern hat sich die Anzahl der ungeprüften Fahrzeuge in den letzten zwei Jahren fast verdreifacht, auf 83'788 (Stand April 2025). «Wir bieten risikobasiert zur Fahrzeugkontrolle auf», sagt Stephan Lanz, Leiter des Berner Strassenverkehrsamtes: «Taxis, Lastwagen oder Cars werden möglichst fristgerecht geprüft. Personenwagen müssen länger warten.» Der Kanton hat für das laufende Jahr drei zusätzliche Stellen gesprochen. «Um die Rückstände längerfristig abzubauen, braucht es aber noch mehr Personal», ist Lanz überzeugt. Auch sind die zusätzlichen Stellen nicht sofort spürbar. Bis die neuen Kontrolleure ausgebildet und einsatzbereit sind, dauert es allerdings rund eineinhalb Jahre.
Folgen für die Sicherheit: Auch wenn es bei den Fahrzeugprüfungen in erster Linie um Sicherheit auf den Strassen geht, sieht der Bund beim Prüfrückstand kein unmittelbares Risiko für die Verkehrsteilnehmenden. «Unfälle, die auf technische Mängel oder mangelnden Unterhalt des Fahrzeugs zurückzuführen sind, machen heute nur 1 Prozent aus», schreibt das Bundesamt für Strassen Astra auf Anfrage. Damit das aber so bleibe, müsse in den betroffenen Kantonen jetzt gehandelt werden, ist Christian Wyssmann, Geschäftsführer des Schweizer Autogewerbeverbands AGVS, überzeugt: «Weil das Durchschnittsalter der Autos steigt, nehmen tendenziell auch die technischen Probleme zu.»
Autofahrer in der Pflicht: Bund und Kantone weisen darauf hin, dass die Verantwortung beim Autohalter, der Autohalterin liegt: «Ein Fahrzeug muss, wenn es auf öffentlichen Strassen eingesetzt wird, immer die einschlägigen Anforderungen der Strassenverkehrsgesetzgebung einhalten», so das Astra. Bei einem Unfall mit einem ungeprüften Auto wird deshalb auch nicht der entsprechende Kanton zur Rechenschaft gezogen, sondern die Person am Steuer. Und doch sollten sich die Kantone jetzt nicht einfach zurücklehnen, sagt Christian Wyssmann vom Autogewerbeverband, denn die Fahrzeugprüfungen erzielten eine wichtige, prophylaktische Wirkung: «Wir beobachten, dass teilweise erst ein Aufgebot zur Fahrzeugprüfung die Autohalterinnen und Autohalter an den nötigen Unterhalt ihres Wagens erinnert.»