Der Bundesrat setzt zur Umsetzung der Energiewende auf Fördergelder aus der kostendeckenden Einspeisevergütung (KEV). Wir alle finanzieren diese Subvention, den die Produzenten von erneuerbaren Energien erhalten, mit einem Zuschlag von derzeit 0,45 Rappen pro Kilowattstunde auf dem Strompreis.
Tausende Projekte warten auf einen Entscheid
Seit der Einführung der KEV vor viereinhalb Jahren gehen jeden Monat Hunderte von Gesuchen beim Bund ein. Die Nachfrage ist so gross, dass die meisten Projekte auf einer Warteliste landen, wo inzwischen fast 22'000 Anlagen parkiert sind.
Doch nun hat eine Bewegung in die umgekehrter Richtung eingesetzt: Immer mehr Projekte werden zurückgezogen – oder die KEV widerruft ihre Zusage.
Seit Anfang Jahr sind mehr als 800 geplante Anlagen für Strom aus Sonne, Wind, Wasser oder Biomasse weggefallen, wie René Burkhard, Leiter der Abteilung Erneuerbare Energien beim Netzbetreiber Swissgrid bestätigt. Über 700 Gigawattstunden Strom gingen so verloren.
Austritte aus der KEV (inkl. Widerrufe) vom 1.1.2012 bis 28.11.2012 (Quelle: Swissgrid)
Technologie | Anzahl Projekte | Jahresproduktion (KWh) |
---|---|---|
Wasserkraft | 60 | 184'440'937 |
Fotovoltaik | 491 | 13'433'554 |
Wind | 146 | 476'677'500 |
Biomasse | 4 | 34'733'000 |
Total | 701 | 709'284'991 |
Projekte lassen sich nicht realisieren
Viele Windprojekte seien aufgegeben worden, weil seit kurzem Kataster der Kantone für Windanlagen vorlägen, sagt Burkhard. Mit anderen Worten: Jetzt weiss man, wo Anlagen gebaut werden dürfen und wo nicht.
Das dürfte in den nächsten Monaten so weitergehen. Die KEV-Verantwortlichen rechnen damit, dass die wenigsten der angemeldeten Windanlagen tatsächlich in Betrieb gehen. «Die, die ans Ziel kommmen, sind eindeutig in der Minderheit», sagt Burkhard. Andere Projekte haben das Problem, dass sie zwar über eine Zusage für die KEV verfügen, nun aber keine Baubewilligung erhalten. Damit fallen auch diese Anlagen aus der KEV.
Vier-Jahres-Frist läuft ab
Dass sich diese Widerrufe zurzeit häufen, hat auch damit zu tun, dass in diesem Herbst für viele Projekte eine letzte Frist abläuft. Vor genau vier Jahren habe seine Behörde die Zusagen zur KEV erteilt, so Burkhard. Nun müssten, so schreibt es das Gesetz vor, sogenannte Projekt-Fortschrittsmeldungen vorgelegt werden: «Jetzt entscheidet sich quasi – wer hat sie, wer hat sie nicht» – die Baubewilligung.
Im BFE macht man sich keine Sorgen
So schmelzen die Projekte für erneuerbare Energien dahin wie der Schnee an der Sonne. Die Menge an potenzieller Stromproduktion, die mittlerweile weggefallen ist, ist deutlich grösser als die Strommenge, die zugebaut werden konnte. Sorgen macht man sich deswegen im Bundesamt für Energie (BFE) aber keine. Man habe mit dieser Entwicklung gerechnet und es kämen gute neue Projekte nach, sagt Frank Rutschmann, Leiter der Sektion Erneuerbare Energien. «Wir haben keine Angst».
In gewisser Weise ist man im BFE sogar froh, dass immer mehr KEV-Anlagen von der Liste kippen. Denn zurzeit könnte man gar nicht alle Gesuche finanzieren. Gemäss dem KEV-Verantwortlichen René Burkhard müsste der Zuschlag, den die Konsumenten pro Kilowattstunde (KWh) für die KEV bezahlen, von derzeit 0,45 auf 2,4 Rappen erhöht werden, um alle eingereichten Projekte zu finanzieren.
KEV-Anlagen in Betrieb (Stand: 1. Oktober 2012 / Quelle: Swissgrid)
Technologie | Anzahl Projekte | Jahresproduktion (KWh) |
---|---|---|
Wasserkraft | 262 | 526'565'737 |
Fotovoltaik | 4119 | 92'705'666 |
Wind | 14 | 40'142'477 |
Biomasse | 183 | 610'592'533 |
Total | 4578 | 1'270'006'413 |
Unklarheit über die Höhe des künftigen KEV-Zuschlags
Diese Zahl lässt aufhorchen. Denn der Bundesrat schreibt in seiner «Energiestrategie 2050», ein Zuschlag von 1,9 Rappen werde genügen, um erneuerbare Energien über die KEV zu finanzieren. Stimmt da etwas nicht?
Burkhard von Swissgrid sagt, er wisse auch nicht, wie das Bundesamt für Energie rechne. Die Höhe des KEV-Zuschlags hänge von zahlreichen Faktoren ab, die sich in der Zukunft stark verändern könnten. Hier etwas zu rechnen, was man nicht wisse, sei «reine Spekulation».
Und selbst Frank Rutschmann vom Bundesamt für Energie sagt, es wäre «nicht wissenschaftlich», jetzt eine exakte Zahl voraussagen zu wollen. Mit anderen Worten: Eine weitere Aussage im bundesrätlichen Energiepapier steht auf wackligen Füssen. (snep)