Zusammen mit ihren Vorgängerorganisationen unterhielt die Industrie- und Handelskammer (IHK) St. Gallen-Appenzell nicht nur einen Post- und Kurierdienst. Sie etablierte auch die Telegrafie und gründete mehrere Bildungsinstitutionen wie die heutige Universität St. Gallen. Ausserdem trug die IHK wesentlich zum Ausbau des Eisenbahnnetzes bei.
Heute setzt die IHK Impulse, um die Ostschweiz als Wirtschaftsraum konkurrenzfähig und als Lebensraum attraktiv zu halten.
In diesen Tagen feiert die IHK St. Gallen-Appenzell ihr 555-jähriges Bestehen, pandemiebedingt mit einem Jahr Verspätung. Sie ist mit Abstand die älteste Handelskammer der Schweiz und wohl eine der ältesten weltweit. Das älteste Mitgliederverzeichnis ist datiert auf den 15. August 1466.
«Heute setzt die IHK Impulse, um die Ostschweiz als Wirtschaftsraum konkurrenzfähig und als Lebensraum attraktiv zu halten», sagte IHK-Direktor Markus Bänziger auf einem Stadtrundgang vorbei an historisch bedeutenden Orten.
Als Handwerker nach St. Gallen zogen
Die Geschichte der IHK ist eng mit jener St. Gallens verbunden. Die Stadt wuchs um das 719 gegründete Kloster herum. Vor allem Handwerker und Händler, die sich hier niederliessen, bauten im Spätmittelalter ein Exportgewerbe auf und hatten mit dem Leinenhandel viel Erfolg.
Kaufleute gründeten in der ersten Hälfte des 15. Jahrhunderts die «Gesellschaft zum Notenstein». Sie intensivierten in der Folge ihre Zusammenarbeit: Ab 1480 ist ein regelmässiger Post- und Kurierdienst mit Nürnberg überliefert, ab 1560 auch mit Lyon.
Die berufspolitische Organisation
1637 gründeten die St. Galler Kaufleute mit dem Kaufmännischen Directorium eine eigentliche berufspolitische Organisation. Diese übernahm nicht nur für die Stadt, sondern für die gesamte Eidgenossenschaft wirtschaftspolitische Aufgaben. So führte die Organisation Verhandlungen mit auswärtigen Herrschern zur Sicherung von Zollprivilegien, unter anderem 1553 für den Handel mit Frankreich.
Andere Fabrikanten und Unternehmer gründeten 1875 den Handels- und Industrieverein St. Gallen. Sie hatten das Ziel, den Aussenhandel zu fördern und auf die Gesetzgebung Einfluss zu nehmen. Der Handels- und Industrieverein St. Gallen und das Kaufmännische Directorium fusionierten 1991 zur IHK St. Gallen-Appenzell.
Rasantes Wachstum dank Textilindustrie
Um das Jahr 1860 lebten gut 20'000 Menschen in St. Gallen. Gut 50 Jahre später zählte die Stadt bereits rund 75'000 Personen. Grund für dieses Wachstum war die personalintensive «Stickereiblüte». In den Jahrzehnten vor dem Ersten Weltkrieg stammten mehr als 50 Prozent der Stickereien weltweit aus St. Gallen.
Auch die IHK prägte verschiedene Facetten dieser Epoche wesentlich. So war sie massgeblich an der Errichtung einer Stickereibörse im heutigen Multertor-Gebäude beteiligt.
Telegrafie- und Banken-Pioniere
Die IHK setzte sich auch für die Telegrafie ein. Um 1850 hatten sämtliche umliegenden Länder bis an die Schweizer Grenze Telefonmasten errichtet. Nur in der Schweiz ging es nicht weiter. Die IHK initiierte eine Petition an den Bundesrat und finanzierte die Umsetzung massgeblich mit. So standen bereits im Folgejahr in St. Gallen die ersten Telefonmasten.
Ebenfalls im 19. Jahrhundert gründete die IHK eine Noten- und Zettelbank mit. Der Kanton St. Gallen erhielt 1837 als zweiter Ort der Schweiz eine Kantonalbank. Sie trug den Namen «Bank in St. Gallen».