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Salome Zimmermann entscheidet über Abhöraktionen
Aus Echo der Zeit vom 31.08.2017. Bild: SRF
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Abhören oder nicht abhören? Wie tickt Salome Zimmermann?

Die Richterin entscheidet ab morgen, was der Nachrichtendienst anzapfen darf. Klar ist: Die Bedrohung muss schwer sein.

Das Wichtigste in Kürze

  • Am Freitag tritt das neue Nachrichtendienstgesetz in Kraft, das die Überwachungsmöglichkeiten des Geheimdienstes stark erweitert.
  • Freie Hand beim Überwachen von mutmasslichen Terroristen und Spionen haben die Nachrichtendienstler aber nicht. Eine Richterin muss jede Aktion genehmigen.
  • Dies ist ab morgen die verantwortliche Bundesverwaltungsrichterin Salome Zimmermann. Sie betont, dass sie sich von der aktuellen Terror-Diskussion nicht unter Druck setzen lasse.

Schon nach wenigen Sätzen wird klar: Diese Juristin versteckt sich nicht hinter Paragrafen und Floskeln. Sie spricht Klartext – auch an die Adresse des Nachrichtendienstes. «Nur dass der Nachrichtendienst etwas verlangt, heisst noch lange nicht, dass er es auch bekommt», betont Salome Zimmermann, 62-jährig und Bundesverwaltungsrichterin seit zehn Jahren.

Nur dass der Nachrichtendienst etwas verlangt, heisst noch lange nicht, dass er es auch bekommt»,
Autor: Salome Zimmermann

Ab morgen wird sie etwa entscheiden, ob der Nachrichtendienst das Handy eines mutmasslichen Terroristen anzapfen darf. Oder, ob er in einer von Islamisten besuchten Moschee eine Videokamera installieren darf. Zwar muss stets auch noch der Verteidigungsminister Ja zur Überwachung sagen, aber an der grossen Verantwortung für Salome Zimmermann ändert das nichts.

Ich möchte in aller Ruhe und nach objektiven Kriterien entscheiden.
Autor: Salome Zimmermann

Von der laufenden Terror-Diskussion will sie sich nach eigenen Worten nicht vereinnahmen lassen. Jeder, der irgendwelche Merkmale aufweise, werde ja zum Teil bereits in die Terror-Ecke geschoben, stellt sie fest und fügt bei: «Ich möchte vielmehr in aller Ruhe und nach objektiven Kriterien entscheiden.»

Nur im äussersten Fall dürfe eine Demokratie in die Privatsphäre seiner Bürgerinnen und Bürger eindringen – gerade auch im Kampf gegen den Terror. Feinde der Demokratie dürfe man nur mit demokratischen Mitteln bekämpfen.

Wir wollen mit unseren Mitteln zeigen, dass wir uns den Rechtsstaat nicht nehmen lassen.
Autor: Salome Zimmermann

Zimmermann markiert Distanz zum Überwachungsstaat. Das passt zu ihrem politischen Profil: Als Vertreterin der SP wurde sie ans Bundesverwaltungsgericht gewählt. Das Gericht wiederum hat ihr und einem Stellvertreter die neue Aufgabe im Staatsschutz übertragen. Ausgerechnet eine Sozialdemokratin also wird über Abhöraktionen entscheiden. Dabei hatte doch die SP das Nachrichtendienst-Gesetz mit einem Referendum bekämpft.

Linke mit eigentümlicher Karriere

Zimmermann hält fest: «Als Richterin wende ich dieses Gesetz an, ohne es politisch zu hinterfragen. Ich möchte auch noch sagen, dass ich als Person sehr unabhängig bin und auch als unabhängig gelte.»

Überhaupt passt Zimmermann in keine Schublade. In den 1970-er Jahren, also mitten im Kalten Krieg, als linke, pazifistische Männer ins Gefängnis gingen, um keinen Dienst zu leisten, ging sie, die linke Frau, freiwillig ins Militär und wurde Nachrichten-Offizierin.

«Das hat mit meiner Biografie zu tun. Ich bin jüdisch. Mindestens in der Zeit, als ich gross geworden bin, hat man uns immer gesagt, die Schweizer Armee habe dafür gesorgt, dass Hitler nicht in die Schweiz kam. Das war etwas, wo ich das zurückgeben konnte.»

Was, wenn es eilt?

Eine Linke, die aus Überzeugung ins Militär ging. Eine Richterin, die sich zu einer wehrhaften Demokratie bekennt. «So wenig Eingriffe wie möglich, aber so viele wie nötig», umschreibt sie ihre Haltung.

Zimmermann wird grossem Druck ausgesetzt sein: Innert fünf Arbeitstagen wird sie über Abhörgesuche des Nachrichtendienstes entscheiden müssen. Die Staatsschützer werden sie überzeugen wollen von der Gefahr, die von einem Verdächtigen ausgeht – und dass die Zeit dränge. Wie geht sie damit um?

Wir lassen uns zeitlich nicht unter Druck setzen.
Autor: Salome Zimmermann

«Ich denke, dass muss man umkehren. Wenn der Nachrichtendienst nicht in der Lage ist, uns innerhalb von fünf Tagen Beweise zu liefern, werden wir abweisen. Dann muss er halt weitere Beweise suchen und ein neues Verfahren anstrengen. Wir lassen uns zeitlich nicht unter Druck setzen.»

Viel Neuland

Eine Bedrohung muss schwer sein. Es muss um Terrorismus gehen, um Spionage oder um den Handel mit Massenvernichtungswaffen. Nur dann darf Zimmermann Ja sagen zum Abhören, Anzapfen und Überwachen.

Doch wann ist eine Bedrohung «schwer»? Die Bundesverwaltungsrichterin kann auf keine Rechtspraxis, keine früheren Entscheide zurückgreifen. Reicht es bereits für eine Überwachung, wenn in einer Moschee zum Beispiel Gläubige mir radikalen Ideen verkehren?

Grünes Licht nur bei konkreten Hinweisen

Nein, sagt Zimmermann. Der Nachrichtendienst müsse eine Gefährdung glaubhaft machen. «Es muss wirklich viel konkreter sein. Es muss beispielsweise gesagt werden: Wir haben konkrete Informationen, dass irgendeine Person in dieser Moschee schon etwas wahrgenommen hat.

Doch was, wenn sie Nein sagt zu einer Überwachung und dann geschieht etwas, etwa ein Anschlag? «Das perlt nicht ab von mir. Dass eine einzelne Person diese Verantwortung hat, das spüre ich.»

Ungefähr 25 Abhöraktionen pro Jahr

Morgen geht es los. Dann tritt das neue Nachrichtendienst-Gesetz in Kraft. Der Nachrichten-Dienst rechnet mit bis zu 25 Abhöraktionen pro Jahr. Wahrscheinlich werde sie morgen bereits ein erstes Gesuch auf dem Pult haben, vermutet Zimmermann: «Ich denke, der Nachrichtendienst muss doch auch zeigen, dass er sich vorbereitet hat.»

Vorbereitet ist auch sie. Die Richterin mit dem selbstsicheren Auftritt und der grossen Verantwortung.

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