Es gibt ein Gewaltpotenzial in der Schweiz – sowohl von der rechts- als auch von der linksextremen Szene. Diese Tendenz bestätigt der Nachrichtendienst des Bundes (BND) in seinem jüngsten Bericht, Link öffnet in einem neuen Fensterim Browser öffnen. «Trotzdem ist die Lage derzeit weitgehend entspannt», entwarnt der BND. Es gäbe keine konkreten Hinweise auf eine Verschärfung.
199 linksextreme und 28 rechtsextreme Vorfälle ereigneten sich im Jahr 2015. Über die Jahre gesehen zeigt sich eine konstante Abnahme. Und: Bei weitem sind nicht alle Ereignisse auch von Gewalt begleitet. Bei rechtsextremen Gruppen betrifft dies 43 Prozent der Fälle, bei linksextremen 25 Prozent. Mittels der Art der Gewalt erhält der BND Aufschluss über die derzeitige Lage.
Die verschiedenen Arten der Gewalt
«Rechtsextreme prügeln sich, bedrohen, beschimpfen und bespucken Menschen, sie schänden vereinzelt Gräber. Ihre menschenverachtende Einstellung findet (wenn auch selten) ihren Ausdruck in körperlicher Gewalt. Waffen kommen dabei allerdings nur sehr vereinzelt zum Einsatz, auch Brandanschläge sind selten.» |
«Linksextreme greifen Menschen anlässlich von Demonstrationen mit Steinen, Flaschen, Pyrotechnik an und beschädigen Sachen: meist mit Farben, selten mit Feuer oder Wasser. Die Aggressivität insbesondere gegen Polizisten ist hoch. Der letzte Anschlag mit einer unkonventionellen Spreng- und Brandvorrichtung erfolgte im Januar 2016 anlässlich des World Economic Forum (WEF). Selten, aber häufiger als im Vorjahr werden Fahrzeuge angezündet, Anschläge mit Chemikalien wie Buttersäure kommen vereinzelt vor.» |
Die beiden Gruppierungen sind äusserst unterschiedlich: «Die rechtsextreme Szene verhält sich weiterhin bedeckt und agiert konspirativ», schreibt der Nachrichtendienst. Anders die Linksextremen: Sie suchten geradezu die Öffentlichkeit, um mit Demonstrantionen und anderen Aktionen auf sich aufmerksam zu machen.
Unmögliche Interpretation
Dass die Zahlen der linksextremen Ereignisse viel höher sind als jene von Rechtsradikalen, mag überraschen. Für den Grünen-Kantonsrat und Journalisten Hans Stutz sind sie aber nicht aussagekräftig: «Eine Interpretation ist unmöglich, weil wir die Hintergründe nicht kennen.» Damit spricht Stutz auf die Kriterien an, nach welchen die Vorfälle in die Liste aufgenommen werden.
«Seit einigen Jahren verweigert der BND die Publikation der früher zugänglichen ‹Ereignisliste›», kritisiert der Luzerner Politiker. So sei es nicht möglich, abzuschätzen, ob mit gleichen Ellen gemessen wird. Und nicht nur dies trübe das Bild der Statistik: «Gabes einen Zusammenstoss zwischen den beiden Seiten, wurde dies auf beiden Seiten als Ereignis verbucht – sowohl bei den Tätern als auch den Opfern.» Ein doppelt verbuchter Vorfall also.