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Verschenkte Leben – Laienretter zu wenig eingesetzt
Aus Puls vom 25.02.2019.
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Zu wenig First Responder Verschenkte Leben

Laienhelfer bringen beim Herznotfall wertvolle Minuten. Flächendeckend im Einsatz sind sie aber erst in sieben Kantonen.

Dass Walter Dellenbach dieser Tage den schönen Vorfrühling geniessen kann, ist alles andere als selbstverständlich.

Am 16. August wurde ihm plötzlich schwarz vor Augen – Herzstillstand. Zu seinem Glück sass damals nur wenige hundert Meter entfernt Michael Gfeller am Mittagstisch. Vom Notruf 144 alarmiert, setzte er sich in sein Auto und war wenige Minuten später vor Ort.

Gfeller war in der Lage, die Zeit bis zum Eintreffen der Ambulanz zu überbrücken. Walter Dellenbach ist sich sicher: «Wenn das Team First Responder nicht so schnell gewesen wäre, wäre ich heute nicht zu Hause.»

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Walter Dellenbach verdankt First Responder Michael Gfeller sein Leben.
Aus 10 vor 10 vom 22.02.2019.
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So wie Walter Dellenbach geht es in der Schweiz jedes Jahr bis zu 8000 Personen. Ihr Herz bleibt unerwartet stehen – ausserhalb eines Spitals, ohne Fachperson neben sich, die umgehend auf die lebensbedrohliche Situation reagieren könnte.

Dabei kommt es bei einem Herz-Kreislaufstillstand auf die schnelle Reaktion besonders an. Denn mit jeder Minute, die ohne Reanimation verstreicht, sinkt die Überlebenschance um 10 Prozent.

Oft treffen die Rettungsprofis zu spät ein. Im Schweizer Durchschnitt liegt die Überlebensrate bei nur gerade 5 bis 15 Prozent.

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«Der Rettungsdienst hat in der Schweiz im Schnitt acht bis zwölf Minuten, bis er vor Ort ist. Im Herznotfall reicht das leider nirgendwo hin.»
Aus Puls vom 25.02.2019.
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Medizinisch ausgebildete Laienhelfer, die noch vor den Profis vor Ort sind, erhöhen diese Überlebenschancen deutlich – im Tessin zum Beispiel um weit mehr als das Doppelte.

Die Sonnenstube der Schweiz ist Vorreiter in Sachen First Responder und hat das System seit über zehn Jahren kontinuierlich ausgebaut. Über 4000 eingetragene Laienhelfer sorgen mittlerweile dafür, dass im Durchschnitt bloss fünf Minuten vergehen, bis Hilfe vor Ort ist.

So funktioniert das System

Box aufklappen Box zuklappen

Sobald bei Telefon 144 ein Notruf mit Verdacht auf Herzstillstand eingeht, werden nebst der Ambulanz auch die zivilen Ersthelfer über eine speziell entwickelte App alarmiert.

Allen First Respondern, die sich in der Nähe des Notfalls aufhalten, wird so genau angezeigt, wo ihre Hilfe benötigt wird.

100 bis 200 Überlebende mehr im Kanton Bern

Dem Tessiner Vorbild folgte als erster der Kanton Bern. Seit sieben Jahren werden hier zivile First Responder in speziellen Kursen ausgebildet und im Ernstfall aufgeboten.

Damit haben sich die Überlebenschancen auch in Bern deutlich verbessert. Beat Baumgartner, Präsident des Vereins «First Responder BE», nennt beeindruckende Zahlen: «Wir rechnen mit 100 bis 200 zusätzlichen Überlebenden pro Jahr.»

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«Ein ausgereiftes System, wo die verschiedenen Elemente zusammenarbeiten, bringt 100 bis 200 zusätzliche Überlebende. Die Laienhelfer sind dabei ein massgebendes Element, das hilft, Leben zu retten.»
Aus Puls vom 25.02.2019.
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Auf die Schweiz hochgerechnet und bei einem landesweiten Einsatz von zivilen First Respondern entspricht dies rund 1000 Menschenleben mehr, die nach einem Herzstillstand gerettet werden könnten.

Eindrückliche Zahlen. Doch «Puls»-Recherchen zeigen:

  • Zivile First Responder sind erst in sieben Kantonen flächendeckend im Einsatz.
  • Nur in sieben weiteren sind sie wenigstens auf dem Papier geplant.
  • Kein Thema sind sie in den beiden Appenzell, in Glarus, Neuenburg, Thurgau, Zürich und St. Gallen.

Solothurn bald auch dabei

Immerhin: Die Zahl der First-Responder-Kantone wird demnächst auf acht steigen. Markus Zuber, ärztlicher Leiter der Solothurner Spitäler, ist vom Nutzen der Laien-Ersthelfer überzeugt und will ein entsprechendes System für den Kanton Solothurn aufbauen. Noch dieses Jahr sollen hier die ersten First Responder per App alarmiert werden.

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«Die Anzahl gerettete Leben ist abhängig von der Dichte an First Respondern.»
Aus Puls vom 25.02.2019.
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Anders beispielsweise im Kanton St. Gallen. Hier sind zur Unterstützung der Sanität zwar auch Feuerwehren als First Responder im Einsatz. Laut Hochrechnung könnten jedoch mit zusätzlichen zivilen Laienhelfern 40 bis 50 Menschenleben mehr gerettet werden.

Günter Bilstein, Leiter Rettung St. Gallen, stellt dies nicht in Abrede. Er sieht den Rettungsdienst aber ausserstande, eine solche Organisation auf die Beine zu stellen. «Wir als Rettungsdienst können vielleicht Teil eines solchen Netzwerkes sein und unseren Beitrag leisten in Bezug auf den Notruf. Wir können auch Daten liefern», aber man sei als Organisation nicht in der Lage, so etwas aufzubauen und zu erhalten.

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«Das System aufzubauen und zu erhalten ist eine sehr komplexe Aufgabe. Als Rettungsdienst können wir Teil eines solchen Netzwerkes sein und unseren Beitrag leisten, aber wir sind nicht in der Lage, so etwas aufzubauen und zu erhalten.»
Aus Puls vom 25.02.2019.
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Bildstein hofft stattdessen auf initiative Personen wie Beat Baumgartner oder Markus Zuber, die diese Projekte nebst ihrer normalen Arbeit vorantreiben. «Dann braucht es Vernetzung mit ganz vielen Partnern, Finanzen, und viel Engagement, um die Leute anzuwerben und bei der Stange zu halten.»

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«Die Rettungsdienste sind aus meiner Sicht in der Pflicht, das anzureissen und hier auch Energie zu investieren.»
Aus Puls vom 25.02.2019.
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Beat Baumgartner kann diese Argumentation als Rettungdienst-Leiter eines Thuner Spitals bis zu einem gewissen Grad verstehen. Es brauche immer jemanden, der Herzblut in die Sache steckt. «Aber ich denke, die Rettungsdienste sind schon in der Pflicht, das anzureissen und Energie zu investieren.»

Der Lohn der Mühe: Mehr gerettete Leben. Wie das von Walter Dellenbach.

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Studiogespräch mit First Responder Stefan Amgarten und «Herz für Obwalden»-Präsident Rolf Langenbacher
Aus Puls vom 25.02.2019.
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