Wer von Oensingen nach Balsthal fährt, kommt kurz vor dem Städtchen Klus an einen Kreisel, der an alte Zeiten erinnert. Angeschrieben mit «Von Roll» steht mitten auf dem Kreisel eine Giesspfanne, mit der früher flüssiges Metall in eine Form gegossen wurde.
Im Einsatz stand die Giesspfanne ganz in der Nähe. Vom Kreisel führt eine Strasse über einen Bahnübergang auf ein grosses Industriegelände. Früher betrieb hier der Stahlkonzern Von Roll unter anderem eine Giesserei, von den Einheimischen «Schmelzi» genannt. In den Glanzzeiten strömten 2300 Angestellte hierhin.
Der wirtschaftliche Aufschwung hatte in der Klus 1813 begonnen, als der Solothurner Ratsherr Ludwig von Roll einen Hochofen errichtete. Nach und nach wurde der ganze Talboden zwischen Oensingen und Balsthal mit Werkgebäuden und Arbeiterhäusern verbaut.
In den 1960er-Jahren wurden Arbeiter aus Italien geholt. Mit ihnen kamen: Salami, Mortadella, Boccia. Die Fabrik prägte Generationen. Die Dörfer lebten im Rythmus der Schmelzi – bis diese 1982 geschlossen wurde. Bereits in den 1970er Jahren hatten Entlassungen landesweit für Schlagzeilen gesorgt.
«Das tat weh», sagt Frédéric Flückiger zur Schliessung der Schmelzi. Für die Region sei es ein Schock gewesen damals, erinnert sich der 87-Jährige. Flückiger hat 40 Jahre lang für die Von Roll gearbeitet. Nach der Schliessung der Schmelzi war er Geschäftsführer der Hydraulik-Abteilung, bis auch diese 1996 ihre Türen schliessen musste.
Flückiger erinnert sich gerne an die Von Roll zurück. «Es war eine fantastisch schöne Zeit», erzählt er strahlend. Die Geschichten sprudeln nur so aus ihm heraus. Etwa, wie er als Bub mitten in der Nacht seinem Vater Sandwiches vorbeibrachte, wenn dieser als Giesser in die Fabrik gerufen wurde. Selbsterklärend, dass auch der Grossvater bereits in der Von Roll gearbeitet hat.
Wie stark die Firma das Leben der Menschen prägte, zeigt diesen Sommer ein Theaterstück. Geschrieben wurde es zum 75-Jahr-Jubiläum der Dramatisch-Literarischen-Gesellschaft Balsthal und zum 1050-Jahr-Jubiläum der Gemeinden Oensingen, Balsthal, Laupersdorf und Matzendorf.
Christoph Schwager hat das Stück geschrieben und führt Regie. Derzeit steckt er mitten in den Proben mit den 26 Laien-Schauspielern. Was ihm noch fehlt sind Statisten, welche Fabrikarbeiter spielen und keinen Text sprechen müssen. Zwei Monate vor der Premiere sind also noch nicht alle Rollen besetzt. «Das gehört dazu», lacht der erfahrene Theatermacher: «Das wird dann schon klappen».
Die Uraufführung des Freilichttheaters wird am 17. August sein – auf dem Industriegelände der ehemaligen Von Roll. Die Fassaden der echten Fabrikgebäude werden also die Kulisse für das Theater bilden. Vor diesem Gebäude wird die Tribüne für die Zuschauer aufgestellt:
«Schon die alten Mauern erzählen eine Geschichte, haben eine eigene Ausstrahlung», freut sich Regisseur Christoph Schwager über den optimalen Spielort für sein Theater. Das Stück «Die Schmelzi» wird wohl nicht nur bei Frédéric Flückiger viele alte Erinnerungen wecken.