«SRF News Online»: Sie haben die Art zu Lieben in Indien recherchiert. Was hat sie am meisten verstört?
«10vor10»-Moderatorin Daniela Lager: Das Ultimative einer Ehe in Indien. Wer heiratet, stellt sich hin und weiss: Das geht nun tatsächlich bis dass der Tod uns scheidet.
Wer heiratet, hofft wohl auf der ganzen Welt, die Liebe möge halten bis ans Ende der Tage. Realistisch gesehen, stehen bei uns die Chancen dafür aber bei 50 Prozent. In Indien – sagt uns ein Vertreter einer Hilfsorganisation – haben die meisten Paare, vor allem die Frauen, gar keine andere Wahl als mit dem Partner zusammenzubleiben. Der knappe Platz im Elternhaus ist meist bereits von einer Schwägerin in Besitz genommen worden. Ein «Zurück» ist schon alleine aus Platzgründen unmöglich. Das Stigma einer Scheidung mauert alle Auswege zu. Und so ist der einzige «Ausweg» der Tod, im schlimmsten Fall der Freitod.
Was hat sie begeistert? Wo würden sie sagen: Davon könnten wir in der Schweiz uns eine Scheibe abschneiden?
Die engen Bande in der Familie. In Mumbai leben 60 Prozent der Menschen in Slums, weitere 5 Prozent auf der Strasse. Es gibt eigentlich keine Privatsphäre. Kaum etwas gehört nur einem Familienmitglied alleine. Man denkt und plant in Generationen. Dieser Zusammenhalt, der Wille, das Wenige mit allen zu teilen, das hat mich tief beeindruckt.
Welche Szene, welches Erlebnis in Sachen Liebe in Indien wird ihnen nie mehr aus dem Sinn gehen?
Auf dem Höhepunkt der Hochzeit, vor 1000 geladenen Gästen, glüht der Bräutigam vor Stolz und Freude. Die Braut zittert und fixiert einen Punkt irgendwo am Ende der Halle. Und die Brautmutter sinkt ohnmächtig zu Boden. Hier verlässt eine junge Frau ihre Familie, wechselt ganz und gar zur Familie ihres Angetrauten. Sie bekommt neue Kleider geschenkt und zieht direkt nach der Vermählung in die Einzimmerwohnung zu Mann, Schwager und Schwägerin sowie deren Kinder.
Es ist ein ultimativer Schritt, der mir im Moment Herz und Atemwege zugeschnürt hat.