Das Kreisgericht St. Gallen hat am Donnerstag einen Fall von Kindsmissbrauch verhandelt. Eine Mutter wollte ihre eigene Tochter für ihren Partner zur Sexsklavin ausbilden. Die beiden führten eine Beziehung, in der es um Dominanz, Unterwerfung und das Ausleben sadomasochistischer Fantasien ging. Sie war seine Sklavin, er ihr «Herr».
Monika Egli-Alge leitet das Forensische Institut Ostschweiz, therapiert Pädophile und befasst sich mit der Psyche von Straftäterinnen und Straftätern.
SRF News: Monika Egli-Alge, wie kann eine Mutter, die einen natürlichen Beschützerinstinkt hat, ihrem eigenen Kind so etwas antun?
Monika Egli-Alge: Das ist tatsächlich die zentrale Frage, wenn man diesen Fall verfolgt. Eltern haben eine Fürsorgepflicht. Und alle sexuellen Dinge gehören nicht zwischen Eltern und Kinder. Was hier passiert ist, ist, dass diese Mutter ihre eigene Sexualität nicht mehr kontrolliert hat, keine Grenzen mehr eingehalten hat gegenüber ihrem Kind und so aus ihrer Rolle als Mutter herausgegangen ist. Sie hat nicht mehr aus Fürsorge und Schutz gehandelt, sondern ihre eigenen Bedürfnisse über das Kind gestellt.
Die Mutter war stark abhängig von ihrem Sexpartner, war seine Sklavin, in gewisser Weise war sie ihm hörig. Wie kann es überhaupt so weit kommen?
Das ist für Aussenstehende kaum nachvollziehbar. Was hier passiert ist, ist ein Abhängigkeits- und Hörigkeitsverhältnis, bei dem ein Teil von sich selbst völlig aufgegeben wird und die Wünsche des Partners zu den eigenen gemacht wurden. Die eigene Persönlichkeit und die eigenen Grenzen sind verschwommen.
Es gibt Fälle, in denen Frauen in Abhängigkeitsverhältnissen gar zu Komplizinnen bei Mordfällen oder Vergewaltigungen wurden. Versagen in solchen Situationen sämtliche Vernunftmechanismen?
Das scheint ein Muster in der Sexualdelinquenz bei Frauen zu sein. Genau diese Konstellation, dass Frauen in Zusammenarbeit mit Männern Kinder sexuell ausbeuten oder gar töten. Welche dynamischen Geschichten dabei abgehen, muss man sehr individuell anschauen. Es scheint aber eine Enthemmung stattzufinden, eine völlige Wertverschiebung.
Die Mutter sagt, sie hätte heute, drei Jahre nach den Übergriffen, ein sehr gutes und herzliches Verhältnis zu ihrer Tochter. Wie ist das möglich?
Von aussen betrachtet ist das kaum nachvollziehbar. Es ist aber so, dass die sexuellen Übergriffe «nur» ein Teil sind dieser Mutter-Tochter-Beziehung und es auch noch andere gegeben hat. Ich gehe davon aus, dass dieses Kind jetzt in guten Verhältnissen aufwachsen kann. Und dann ist es sicher möglich, dass auch vom Kind aus in der Beziehung zur Mutter auch andere Aspekte, andere gemeinsame Geschichten, wieder wichtig werden. Ein Kind ist gebunden an seine Eltern und sucht die Bindung wieder - auch wenn es misshandelt worden ist.
Das Gespräch führte Martina Brassel.