Seit 50 Jahren erforscht die Gesellschaft für Volkskunde die Bauernhäuser in der Schweiz. 38 Bücher haben die Bauernhaus-Forscher seither herausgegeben. Nun erscheint der 39. und letzte Band: «Die Bauernhäuser des Kantons Solothurn».
Die Vielfalt der Bauernhäuser im Kanton Solothurn sei bemerkenswert, sagt Roland Flückiger. Der Architektur-Historiker ist einer von vier Autoren des neuen Buchs. Mit dem Gäuerhaus stellt das Werk auch eine Solothurner Spezialität vor.
SRF: Was unterscheidet die Bauernhäuser im Kanton Solothurn von anderen?
Roland Flückiger: Es gibt in Solothurn viele Einflüsse von aussen, weil der Kanton ja sehr versprengt ist. Wir haben Einflüsse aus dem Bernbiet, aus dem Aargau, oder in der Region Schwarzbubenland aus dem Baselland.
Es gibt also nicht das typische Solothurner Bauernhaus, sondern die Bauernhäuser sehen von Region zu Region anders aus?
Ja, das ist richtig. Diese Vielfalt in der Solothurner Bauernhauslandschaft ist erstaunlich, das hat mich sehr überrascht.
Trotzdem gibt es offenbar ein Bauernhaus, das es nur im Kanton Solothurn gibt...
Es gibt das Gäuerhaus. Das ist ein Steinbau mit einem steilen Giebeldach und einer steinigen Fassade, meistens noch mit gotischen Elementen, der ab 1600 entstanden ist. Damit hat sich die ländliche Oberschicht von den einfachen Bauern zu unterscheiden versucht.
Man hat also dem Gäuerhaus angesehen, dass es einem reichen Bauern gehört, weil es aus Stein war und nicht aus Holz?
Richtig. Das ist ein Prinzip, das überall gilt: Wo es viele Holzbauten hat, ist der Steinbau ein Zeichen der Oberschicht. Also die Kirche, das Pfarrhaus, oder manchmal auch das Gemeindehaus. Und im Gäu hat sich die ländliche Oberschicht eben auch ihr eigenes Haus gebaut.
Waren die Gäuer Bauern denn reicher als andere Bauern in der Schweiz?
Ja. Das Gäu war die Kornkammer und die Gäuer Bauern gehörten zu den ganz Reichen. Wobei man sehen muss, dass nur wenige Prozent zu dieser Oberschicht gehörten.
Wie haben Sie die vielen Bauernhäuser aufgestöbert, die jetzt im 576 Seiten dicken Buch «Bauernhäuser des Kantons Solothurn» vorgestellt werden?
Wir sind durch den ganzen Kanton gefahren und haben die einzelnen Dörfer angeschaut. Zum Teil waren wir erstaunt, wie gut die Dörfer noch erhalten sind. Auf der anderen Seite mussten wir aber auch feststellen, dass es Dörfer gibt, wo nicht mehr viel Ländliches vorhanden ist.
Wo zum Beispiel?
In Grenchen beispielsweise. Das ist ein verstädterter Ort, der nicht mehr viel mit Bauernhäusern zu tun hat. Oder auch um Gerlafingen herum, wo die grossen Industrien waren.
Das Gespräch führte Marco Jaggi.
Das Buch «Die Bauernhäuser des Kantons Solothurn» ist für 95 Franken beim Lehrmittelverlag Solothurn oder in der Buchhandlung erhältlich.